Waldrappweibchen abgeschossen
Artenschützer fordern Bekämpfung der kriminellen Vogeljagd in Italien
Das junge Waldrappweibchen „Dieks“, das im Rahmen eines europäischen Wiederansiedlungsprojektes aufgezogen wurde, ist auf seinem ersten Flug ins Wintergebiet in Italien illegal abgeschossen worden. „Für die Population des vom Aussterben bedrohten Waldrapps ist das ein schmerzlicher Rückschlag“, sagt Prof. Dr. Klaus Hackländer, Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung. Das einjährige Waldrappweibchen ist in Kärnten aufgewachsen und war jetzt erstmals ihren Artgenossen ins Überwinterungsgebiet in der Toskana gefolgt. „Dieks sollte zur Gründerin einer neuen Brutkolonie werden“, sagt der Projektleiter Johannes Fritz. „Mit dem Abschuss werden so viele Hoffnungen zunichtegemacht.“
Seit vielen Jahren machen Artenschützer gemeinsam mit ihren italienischen Partnern die Behörden und Jagdverbände auf die hohen Verluste in Italien – insbesondere in der Toskana – aufmerksam. „2020 sind die illegalen Abschüsse wieder beträchtlich gestiegen. In diesem Jahr haben wir bereits zu Beginn der Herbstmigration den ersten Verlust“, beklagt Johannes Fritz. „Wir fordern endlich effiziente Maßnahmen gegen dieses sinnlose und illegale Töten!“ Mithilfe der GPS-Sender-Daten, die Projektmitarbeiterin Daniela Trobe täglich auswertet, konnte ermittelt werden, dass der Vogel am späteren Nachmittag im Arnotal nahe Figline Valdarno starb. Sie wurde auf ungewöhnliche Daten des Waldrapps aufmerksam, denn der Bewegungssensor zeigte nur noch geringe Aktivität. Die Mitarbeiterin wartete auf die nächste Datenübertragung; dann bestätigten sich ihre Befürchtungen: Das Waldrappweibchen wurde illegal geschossen.
Illegale Jagd ist die häufigste Todesursache der Waldrappe in Italien. Allein im vergangenen Jahr verloren fünf Vögel nachweislich durch illegale Abschüsse ihr Leben. In weiteren drei Fällen konnte die Todesursache nicht direkt festgestellt werden, da die Vogelkörper nicht gefunden wurden.
Illegale Jagd ist eine substanzielle Bedrohung für die Artenvielfalt – und das nicht nur in Italien. Auf dem Flug in ihre afrikanischen Überwinterungsgebiete werden die extrem bedrohten Schreiadler beim Überqueren des Bosporus, der Meerenge zwischen Europa und Kleinasien, sowie über der Sinaihalbinsel gewildert. Vor allem im Libanon droht Schreiadlern und vielen anderen Vogelarten besondere Gefahr. Dort werden sie geschossen oder mit Netzen gefangen – oft schlicht, weil sie als Trophäen gelten. Auch dadurch sind Artenschutzbemühungen der Deutschen Wildtier Stiftung in Deutschland gefährdet. Laut einer Studie von BirdLife International werden allein in Italien jährlich etwa 5,6 Millionen Vögel illegal getötet. Und das, obwohl die Europäische Gemeinschaft im Rahmen des LIFE Programms erhebliche Geldsummen zum Schutz von Zugvögeln zur Verfügung stellt. Klaus Hackländer: „Wichtige Erfolge von Artenschutzprojekten werden Jahr für Jahr durch illegale Jagd wieder zunichtegemacht.“ Erst vor wenigen Tagen war der Weltzugvogeltag, ausgerufen vom AEWA, einem „Abkommen zur Erhaltung afrikanisch-eurasischer wandernder Wasservögel“. Dieser Tag soll ein Bewusstsein für die Probleme ziehender Vögel schaffen. „Die Vertragsstaaten bekennen sich zum Kampf gegen Wildtierkriminalität, allein die Erfolge sind noch zu gering“, sagt Hackländer.