Alle Jahre wieder – keine Schonzeit für Gämsen in den Bayerischen Alpen

Vor fast 40 Jahren hat der Bayerische Landtag die Sanierung und damit die Wiederbewaldung von Schutzwaldflächen in den Bayerischen Alpen beschlossen. Nachdem in den ersten Jahren vor allem Pflanzungen und technische Schutzmaßnahmen erfolgten, stehen heute Gämsen, Hirsche und Rehe im Fokus der Schutzwaldsanierer: Weil die Knospen junger Bäume zum Nahrungsspektrum der Paarhufer gehören, gibt es für sie seit fast 25 Jahren in vielen Gebieten keine Schonzeit mehr. Und so endet die Jagdzeit auf Gämsen in den Bergen am 15. Dezember erneut stellenweise nur auf dem Papier.

Allein in Oberbayern gibt es auf über 25.000 Hektar keine Schonzeit. Erhebungen unserer Stiftung zeigen, dass die Bayerischen Staatsforsten, die etwa 80 Prozent des Gamslebensraums bewirtschaften, fast jede fünfte Gämse in der Schonzeit erlegen. In den Chiemgauer Alpen gibt es zum Beispiel auf nahezu allen gut geeigneten Winterlebensräumen des Gamswilds keine Schonzeit – diese Flächen werden zur Todesfalle für die Gämsen. Paradox: Es gibt Gebiete, die von Skifahrern oder Wanderern aus Rücksicht auf die Wildtiere gemieden werden sollen – in denen aber ganzjährig gejagt werden darf. Die Schonzeit wird hier zum scheinheiligen Versprechen.

Die Erfolge der dauerhaften Bejagung von Gämsen und anderen Wildtieren sind mehr als zweifelhaft: Seit Beginn der Schutzwaldoffensive in den 1980er-Jahren sind nur sehr wenige Flächen aus der Sanierungsphase entlassen worden – die Wiederbewaldung war trotz immer größerer Investitionen in die Jagd nicht erfolgreich. Stattdessen stehen die Gämsen mittlerweile in der Kategorie „Vorwarnliste“ auf der Roten Liste der Säugetiere Deutschlands. Unsere Analysen zeigen, dass das Durchschnittsalter der erlegten Gämsen im Landkreis Traunstein gerade einmal 2,5 Jahre beträgt – wildbiologisch notwendig wäre etwa das Dreifache. Die starke Nutzung junger und jüngster Altersklassen zeigt, dass die Gämsenpopulationen regional bereits stark übernutzt und destabilisiert sind.

Die oberbayerische Schonzeitaufhebungsverordnung läuft im Februar 2024 aus. Die Deutsche Wildtier Stiftung fordert, sie nicht weiter zu verlängern. Im Rahmen der gesetzlichen Jagdzeiten können die Schutzziele im bayerischen Bergwald erreicht werden. Auch ein Blick in die Nachbarländer lohnt: In Frankreich, Italien oder der Schweiz existieren Wildruhezonen, in denen Gämsen nicht gejagt werden dürfen und die möglichst frei von menschlichen Störungen gehalten werden. Solche Wildruhe- oder Jagdschongebiete wären auch in den Bayerischen Alpen ein wichtiges Instrument, um den Tieren gerade jetzt, wo der Schnee bereits Anfang Dezember meterhoch liegt, die dringend nötige Ruhe zu gewähren. Nicht zuletzt fordert die Stiftung ein repräsentatives Monitoring, das Aussagen über die wichtige Alters- und Sozialstruktur der Gämsen zulässt.

Gämsen auf einer Felskuppe

Gämse – der Konflikt in Bayern

Bei uns in Deutschland finden Gämsen vor allem in Bayern einen geeigneten Lebensraum: felsige Regionen für den Sommer und Wälder für den Winter. Doch sie werden im südlichsten Bundesland gerade in öffentlichen Wäldern sehr intensiv gejagt.

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Wie steht es um das Symboltier der Alpen?

Alljährlich besuchen rund 100 Millionen Touristinnen und Touristen den Alpenbogen, Brettljause, Gipfelkreuz und Alpenradler inklusive. Wie viele Gämsen in dieser Region leben, ist dagegen nicht klar – und trotzdem wird das Symboltier der Bayerischen Alpen gejagt. Bald wird es hoffentlich zur Pflicht, die Zahlen durch ein Gams-Monitoring transparenter zu machen, bevor eine Jagdquote festgelegt werden kann.

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Zwei Gämsen (Rupicapra rupicapra) am Berghang im Gegenlicht, Sonnenuntergang, mit Jäger und Snowboarder - Kollage: Manfred Stutz imageBroker; Arterra / Sven-Erik Arndt imageBroker; Astrid Steffens imageBroker

Das bayerische Ruhezonen-Paradox

Für Gämsen gibt es in den Bayerischen Alpen durch den anhaltend hohen Jagddruck und den allgegenwärtigen Tourismus kaum noch Rückzugsgebiete, die ganzjährig gut geeignet sind. Dass in einigen Wald-Wild-Schongebieten bis in den Frühling hinein gejagt werden darf, ist paradox und widerspricht dem Tier- und Artenschutz.

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