Gaudi statt Gämse, Beton statt Birkhühner
Seit 45 Jahren schützt der sogenannte Alpenplan die Flora und Fauna der bayerischen Alpen. Bis jetzt. Denn ab Ende dieser Woche heißt es im Freistaat wohl endgültig: „Gaudi statt Gämse, Beton statt Birkhühner!“ Am 9. November will der bayerische Landtag über eine Änderung des Alpenplans abstimmen, um den Weg für einen neuen Skilift am Riedberger Horn im Allgäu frei zu machen. „Bei einem zustimmenden Votum würden die verantwortlichen Politiker den Wildtier-Lebensraum am Riedberger Horn opfern und gleichzeitig die bayerische Forstpolitik der vergangenen Jahre ad absurdum führen“, kritisiert Dr. Andreas Kinser von der Deutschen Wildtier Stiftung. „Immerhin wurde über Jahrzehnte hinweg der sogenannte Schutzwald mit Steuermitteln aufwendig saniert, der nun der Motorsäge zum Opfer fallen soll“, so Kinser. Auf den Sanierungsflächen ist sogar die Schonzeit für Gämse, Rehe und Hirsche aufgehoben, damit der Schutzwald ungestört wachsen kann. „Vom Freistaat bezahlte Berufsjäger mussten den Schießbefehl ausführen, dessen Widersinn nun offen zutage tritt!“
Mehr Infos über Gämse im Steckbrief
TODESFALLE SCHUTZWALD
Der natürliche Lebensraum des Gamswildes ist auch ein attraktiver Erholungsraum für uns Menschen. Durch Skifahrer, Mountainbiker, Drachenflieger, Paragleiter und viele mehr flüchtet das Gamswild in tiefer gelegene Wälder und nutzt diese als Einstandsgebiet. Gerade in den bayerischen Alpen sind jedoch viele Waldbereiche als Schutzwälder vor Lawinenabgängen ausgewiesen. Hier darf Gamswild leider das ganze Jahr über abgeschossen werden und genießt keine Schonzeit, die gerade im Frühjahr sehr wichtig wäre. Hier geht's zum Steckbrief der Gämse und dem Gamsprojekt der Deutschen Wildtier Stiftung.
Die Gipfelregion des Riedberger Horns gehört zur Schutzzone C des Alpenplans, in der jegliche Verkehrserschließungen und schon gar der Bau eines Skiliftes bislang verboten sind. Der Freistaat möchte nun das betroffene Gebiet aus dieser strengen Schutzzone herausnehmen. „Am Riedberger Horn lebt eine der wichtigsten Birkwild-Populationen in ganz Deutschland“, betont Kinser. „Während in anderen Bundesländern der Lebensraum des Birkwildes mühevoll erhalten und wiederhergestellt wird, zerstört der Freistaat die besten Lebensräume.“
Für die Deutsche Wildtier Stiftung ist der geplante Bau der Skischaukel am Riedberger Horn eines von mehreren Beispielen, bei dem die Wildtiere gegenüber den Interessen des Menschen den Kürzeren ziehen. „In einem Projekt rund um die Gämse in Bayern untersuchen wir derzeit, in welchen Gebieten im Lebensraum der Alpengams sich die unterschiedlichen Interessen des Menschen am Tourismus, an der Weidewirtschaft und am Schutzwald widersprechen“, so Kinser. Denn im Gegensatz zu dem vom Aussterben bedrohten Birkhuhn gehört für Gämse auch der Wald unterhalb der Baumgrenze zu ihrem natürlichen Lebensraum - erst recht, wenn auf den Gipfeln der Skizirkus tobt. Unterhalb des Riedberger Horns gibt es daher das Wildschutzgebiet „Schwabenhof“, in dem derzeit während der Skisaison Betretungsverbot herrscht. Mitten durch dieses Wildschutzgebiet verläuft nun jedoch die geplante Trasse einer neuen Skipiste, die neben dem Lift zukünftig noch mehr Touristen in die Berge locken soll. Damit wird die Abstimmung im bayerischen Landtag endgültig auch zu einer Abstimmung über die Artenvielfalt am Riedberger Horn.
Die Gams - ausgerüstet für ein Leben ganz oben
AUSRÜSTUNG FÜR EIN LEBEN IN HOCHLAGEN
Die Gams ist auf das Leben im Hochgebirge besonders gut vorbereitet: Dank ihrer spreizbaren Hufe (Schalen) und hartgummiartigen Sohlen kann sie im felsigen Gelände bis zu zwei Meter hohe und sechs Meter weite Sprünge absolvieren und in abschüssigem Gelände bis zu 50 km/h schnell sein. Durch einen ungewöhnlich hohen Anteil roter Blutkörperchen wird ihr Körper auch bei hoher körperlicher Leistung mit ausreichend Sauerstoff versorgt. Das Besondere ist ihr Herz: Ein Gamsherz hat ein sehr großes Volumen und sein Muskel ist wesentlich dicker als bei „Flachlandsportlern“, wie etwa dem Reh. Dadurch übersteht Gamswild wenn nötig bis zu 200 Herzschläge pro Minute.