Großer Bahnhof für den kleinen Feldhamster
Bundesumweltministerin Lemke besucht auf ihrer Pressereise das Projekt "Feldhamsterland" in Sachsen-Anhalt
"Wirtschaftliche Interessen und notwendige Schutzmaßnahmen für bedrohte Tier- und Pflanzenarten werden gerne gegeneinander ausgespielt. Dabei verarmen unsere Böden ohne Biodiversität, sie speichern weniger Wasser und werfen weniger Erträge ab. Das hat dann auch wirtschaftliche Folgen. Wir können es uns nicht leisten, mal hier eine Art und mal dort eine Art zu verlieren, denn Ökosysteme werden dadurch instabil. Das Artenaussterben ist für die Menschen genauso bedrohlich wie die Klimakrise", sagte Lemke. Sie fügte hinzu: "Dem Gemeinschaftsprojekt Feldhamsterland ist es offensichtlich gelungen, Lösungen für den Erhalt einer einzelnen Art zu finden. Sie bedeuten aber auch wirtschaftliche Einschränkungen für Landwirte. Deshalb sollten wir Artenhilfsprogramme und Agrarumweltmaßnahmen in Zukunft stärker darauf ausrichten, dass Landnutzer einen angemessenen Ausgleich für Ernteausfälle oder Mehraufwand erhalten, wenn sie sich an Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität beteiligen."
Die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundeslandwirtschaftsministerium, Dr. Ophelia Nick, die die Bundesministerin begleitete, sagte: "Dieses Beispiel zeigt, dass Artenschutz funktionieren kann, wenn Landwirtschaft, Naturschutz und Politik gut miteinander arbeiten: gemeinsam und nicht gegeneinander. Und deshalb bedanke ich mich bei den Landwirtinnen und Landwirten, die bei dem Projekt mitmachen und bei der Deutschen Wildtier Stiftung und den anderen Projektpartnern für ihre wissenschaftlich fundierte Steuerung des Projekts und die gute Öffentlichkeitsarbeit für den Feldhamster."
Bereits seit mehr als vier Jahren kämpfen die Artenschützer von Feldhamsterland, einem Verbundprojekt unter der Koordination der Deutschen Wildtier Stiftung, um das Überleben des bunten Nagers. Obwohl Sachsen-Anhalt das flächenmäßig größte potenzielle Verbreitungsgebiet stellt, wird das Sorgenkind des Artenschutzes im Verlauf der nächsten Jahrzehnte auch hier aussterben - wenn es keine gravierenden Änderungen in der Agrarpolitik und damit in der Landbewirtschaftung gibt. "Die deutschlandweit gesammelten Daten zeigen eine kontinuierliche Abnahme der Bestände und der Verbreitung", erläutert Dr. Tobias Erik Reiners, der das Projekt am Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt wissenschaftlich begleitet.
Noch vor wenigen Jahrzehnten galten Feldhamster in Deutschland als Ernteschädlinge, sie wurden gefangen und sogar für den damals florierenden Pelzhandel getötet. Heute setzen die immer intensivere Landwirtschaft - vor allem auf günstigen Standorten wie der Magdeburger Börde - und die damit verbundene geringe Kulturvielfalt sowie das Fehlen von Blühstreifen und Brachen dem Feldhamster zu. Durch die riesigen Ackerschläge auf ertragreichen Böden, die möglichst effektiv bewirtschaftet und abgeerntet werden, verliert der Hamster innerhalb weniger Stunden seinen Schutz vor Fressfeinden. Sein gesamter Lebensraum besteht dann nur noch aus kahlen Stoppeln, das Feld wird zur lebensfeindlichen Wüste. "Es ist sehr frustrierend, 50 Hektar Ackerfläche nach Hamsterbauen abzusuchen und nur zwei Baue zu finden", sagt Dr. Saskia Jerosch, Feldhamsterland-Koordinatorin für Sachsen-Anhalt bei der Deutschen Wildtier Stiftung.
Mit Feldhamsterland wird das deutschlandweit größte Projekt zur Rettung des Nagers vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesumweltministeriums im Bundesprogramm Biologische Vielfalt bis einschließlich 2023 gefördert.
Forderung der Deutschen Wildtier Stiftung
Die Deutsche Wildtier Stiftung fordert vom Bundesumweltministerium (BMUV) ein nationales Artenhilfsprogramm für den Feldhamster, in dem gemeinsame Maßnahmen mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) zur Rettung des Feldhamsters auch auf Gunststandorten formuliert werden. Darin müssen die vier Prozent aus der Nutzung genommenen Bewirtschaftungsflächen aus den Konditionalität-Verpflichtungen der zukünftigen Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) ebenso enthalten sein wie Maßnahmen, die auch auf Gunststandorten für Landwirte attraktiv sind und die Populationen des Feldhamsters schützen. Wenn mindestens sieben Prozent der Offenland-Lebensräume wieder naturnahe Strukturen aufweisen, haben Feldhamster und mit ihnen viele andere Bewohner der Feldflur eine Chance zum Überleben.