Grünland
Grünland, Wiese, Weide – was ist was?
Grünland ist in Deutschland sehr unterschiedlich verteilt. Typische Grünlandregionen sind die norddeutsche Tiefebene, das Allgäu oder die Mittelgebirgslagen u. a. von Rhön oder Vogelsberg. Oft lassen schlechte Nährstoffversorgung, klimatische oder standörtliche Bedingungen eine Nutzung der Fläche als Ackerland nicht zu. Grünlandnutzung bedingt immer auch die Haltung von Wiederkäuern (Rindern, Schafen) oder Pferden.
Die Wiese – ein Hotspot für die Artenvielfalt
Typisch für Wiesen sind bestimmte Grasgesellschaften. Sie bestimmen den Wiesentyp oft so stark, dass sie nach ihnen benannt sind (z. B. Glatthafer- oder Knaulgraswiese). Welche Grasarten auf einer Wiese vorkommen, wird maßgeblich von den Bodeneigenschaften und den dort vorhandenen Nährstoffen bestimmt. Wiese ist deshalb nicht gleich Wiese, erst recht nicht, wenn zusätzlich Nährstoffe (meistens Stickstoff) durch Düngung in den Boden gelangen.
Abb. Wildblumenwiese kurz vor der Mahd
Intensiv bewirtschaftete Wiesen werden häufig gedüngt und gemäht, um viel Biomasse zu produzieren. Intensiv bedeutet hierbei, dass je nach Naturraum und Standortverhältnissen zwischen 3 und 6 Mal im Jahr gemäht wird. Durch Düngung werden viele Pflanzenarten, die weniger Nährstoffe bevorzugen, von wenigen Gräsern und Kräutern, die mit mehr Nährstoffen zurechtkommen, verdrängt. Mehr Nährstoffe bedeutet also nicht mehr Artenvielfalt! Mit der Vielfalt an Gräsern verschwinden viele Insektenarten und folglich auch insektenfressende Vogelarten.
Extensiv bewirtschaftetes Grünland wird nur einmal, maximal zweimal im Jahr gemäht. Durch die Reduzierung der Nutzungshäufigkeit sowie der Düngung produzieren diese Flächen zwar weniger Biomasse, weisen allerdings eine höhere Artenvielfalt auf. Über ein Drittel aller heimischen Farn- und Blütenpflanzen haben ihr Hauptvorkommen im Grünland. Von den in Deutschland gefährdeten Farn- und Blütenpflanzen haben sogar rund 40 % (entspricht 822 Arten) ihr Hauptvorkommen im Grünland.
Grünland bietet mit seiner Vielfalt an Strukturen und zeitlich gestaffelten Blühabfolgen eine große Vielfalt an Lebensräumen, sowohl von Wirbeltieren wie Vögeln und Amphibien bis zur Welt der Insekten. Teilweise bestehen sehr enge Wechselbeziehungen zwischen Flora und Fauna. Durch die Intensivierung des Grünlands sind insbesondere Schmetterlinge und die „Wiesenbrüter“ bedroht: von der Wiesenweihe (rund 500 Brutpaare in Deutschland, Bestand leicht zunehmend) über den Großen Brachvogel (rund 4.000 Brutpaare in Deutschland, Bestand abnehmend) bis zum Kiebitz (rund 75.000 Brutpaare in Deutschland, Bestand stark abnehmend). Maßgebliche Ursache ist die zu hohe Mahdhäufigkeit, der die Brut und die flugunfähigen Jungvögel zum Opfer fallen. Dies ist ein wirkliches Artenschutzproblem!
Der Tod von Rehkitzen durch eine frühe Mahd ist dagegen als Tierschutzproblem einzuordnen, da der Bestand an Rehen durch den Mähtod nicht gefährdet ist, was damit jedoch nicht weniger dramatisch ist. Da Landwirte sich nicht selbst anzeigen, wenn sie ein Rehkitz ausgemäht haben, liegen natürlich keine gesicherten Zahlen über den tatsächlichen Verlust von Rehkitzen bei der Grünlandmahd im Frühjahr vor. Also ist man auf Hochrechnungen angewiesen. In Mecklenburg Vorpommern wurden im Frühjahr 2018 auf 500 Hektar 40 Rehkitze per Oktokopter gefunden und vor dem Mähtod gerettet. Das bedeutete, dass acht Rehkitze auf 100 Hektar vom Mähtod bedroht waren.
Damit liegt die Zahl zwischen 50.000 und 100.000 betroffenen Rehkitzen! „Wer einmal ein Rehkitz mit abgemähten Beinen gesehen hat, das versucht aufzustehen und seine Mutter zu suchen, wird verstehen, dass schon ein ausgemähtes Rehkitz eins zu viel ist“, sagt Dr. Andreas Kinser, stellvertretender Leiter Natur- und Artenschutz der Deutschen Wildtier Stiftung. Zum Thema "Tipps zur Vermeidung des Mähtods" veröffentlicht die Deutsche Wildtier Stiftung in Kürze eine Broschüre.
Gefahren für das Grünland
a) Der Verlust von Grünlandfläche
In Deutschland gibt es heute rund 4,7 Millionen Hektar Grünland. Das ist weniger als ein Drittel der landwirtschaftlich genutzten Fläche. Vom Grünland entfallen auf Wiesen rund 1,9 Millionen Hektar (40 %) und auf Weiden und Mähweiden rund 2,7 Millionen Hektar (knapp 60 %). Nur rund 180.000 Hektar werden in der Agrarstatistik als „ertragsarmes Dauergrünland“ ausgewiesen. „Ertragsarm“ kann hier mit „artenreich“ übersetzt werden, d. h., dass der Anteil an ökologisch wertvollem Grünland – Magerwiesen oder Feuchtgrünland – mittlerweile verschwindend gering ist. Seit den 1960er Jahren gibt es einen kontinuierlichen Rückgang der Grünlandfläche in Deutschland. Von 1991 bis 2017 nahm die Grünlandfläche um über 600.000 Hektar ab.
Abb. Gesamtfläche von Dauergrünland und Anteil an der landwirtschaftlich genutzten Fläche (Quelle: BMEL / Statistisches Bundesamt)
Der Verlust von Grünlandflächen ist zum großen Teil auf Grünlandumbruch zurückzuführen. Dieser Prozess ist mittlerweile weitgehend gestoppt worden. Seit der EU-Agrarreform im Jahr 2013 ist der Umbruch von Dauergrünland genehmigungspflichtig. Ein weiterer Grund für den Verlust an Grünland ist sicherlich auch auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz zurückzuführen, das seit 2004 starke Anreize setzte, um Mais für die Biogasproduktion anzubauen. Die Zunahme intensiv wirtschaftender Milchviehbetriebe, bei denen Grünlandfutter durch Silomais ersetzt wird, spitzte die Situation zusätzlich zu.
b) Die Intensivierung und die Aufgabe der Nutzung
Doch nicht nur die quantitative, sondern auch die qualitative Veränderung muss beim Grünland betrachtet werden. Die Intensivierung der Nutzung macht sich vor allem am Stickstoffeinsatz fest. Intensivgrünland besteht mitunter nur noch aus einer einzigen Pflanzenart (Weidelgras), selbst ein Fußballrasen besteht aus drei oder mehr Arten. Diese monotone Artenzusammensetzung führt auch zu einem Artenschwund in der Fauna. In der aktuellen Roten Liste der wirbellosen Tiere zeigt sich, dass sich der negative Bestandstrend insbesondere der auf Mager- und Trockenrasen vorkommenden Tagfalterarten und der in Mähwiesen, Magerrasen und Heiden vorkommenden Bienen fortgesetzt hat. Vogelarten, die auf dem Boden brüten, leiden unter der hohen Intensität der landwirtschaftlichen Nutzung. Bei den vorwiegend in Feuchtwiesen brütenden Arten wie Kiebitz und Uferschnepfe setzen sich die Bestandsverluste seit Jahrzehnten fort: Die Bestände des Kiebitz sind in den letzten 20 Jahren auf ein Viertel geschrumpft, bei der Uferschnepfe haben sie sich halbiert.
Abb. Index der Bestandsentwicklung des Kiebitzes in Deutschland relativ zum Jahr 2006 (= 100 %). Quelle: GEDEON et al. 2014
Gedüngt wird Grünland mit mineralischem Stickstoffdünger und mit organischen Düngemitteln, insbesondere Gülle. Noch immer hat Deutschland einen durchschnittlichen Stickstoffüberschuss von rund 102 kg pro Hektar und Jahr (Umweltbundesamt, Zahl für 2016). Von der politischen Zielsetzung, den Stickstoffüberschuss auf 70 kg pro Hektar und Jahr zu reduzieren, ist Deutschland noch weit entfernt.
Neben der immer intensiver werdenden Nutzung ist auch die Aufgabe der Bewirtschaftung eine Gefahr für Wiesen und Weiden. Denn wenn die Fläche sich selbst überlassen wird, kommt es in den meisten Fällen zur Waldbildung. Dies führt dann zur Verschiebung des Artenspektrums und zum Rückgang der für Wiesen und Weiden typischen Artenvielfalt. Um Wiesen möglichst artenreich zu halten, sollten diese ein- bis zweimal im Jahr gemäht werden. Grünland wird vor allem in den Mittelgebirgen aufgegeben und vielfach aufgeforstet. Auch in anderen Regionen lohnt häufig die Bewirtschaftung von Flächen nicht mehr, wenn sie ungünstig geschnitten und klein sind oder ertragsschwach und feucht. Bisher wurde durch die Agrarsubventionen eine großflächige Aufgabe der Grünlandnutzung verhindert.
Deutsche Wildtier Stiftung: Wir schützen und nutzen Grünland
Die Deutsche Wildtier Stiftung bewirtschaftet knapp 700 Hektar Grünland im Rahmen des ökologischen Landbaus, der mit zusätzlichen Auflagen wie einem späten Mahdtermin erweitert wird. Die Flächen liegen überwiegend an den Standorten Fintel (Niedersachsen) und Klepelshagen (Mecklenburg-Vorpommern) und werden mit Rindern beweidet oder zur Heu und Silagenutzung gemäht. Auf diesen Flächen werden ökonomische und ökologische Ziele miteinander verbunden. Weitere rund 300 Hektar Grünland hat die Deutsche Wildtier Stiftung im Rahmen des Nationalen Naturerbes von der Bundesregierung übertragen bekommen. Ziel sind hier ausschließlich der Natur- und Artenschutz. Die Flächen werden überwiegend von ökologisch wirtschaftenden Landwirten im Sinne des Naturschutzes gepflegt. Dies kommt einer Vielzahl von Arten zugute: vom Feldhasen und der Feldlerche bis hin zu Wildbienen und Schmetterlingen. Die Flächen zeichnen sich oft durch besondere naturräumliche Bedingungen aus, wie z.B. Nährstoffarmut (Magerwiesen) oder hohe Feuchtigkeit (Feuchtwiesen). Darüber hinaus hat die Deutsche Wildtier Stiftung an einzelnen Standorten auch bereits Ackerland wieder in Grünland umgewandelt.
Die Wiesen: Handlungsbedarf aus Sicht des Arten- und Naturschutzes
Verlust von Grünland weiter stoppen!
- Genehmigungspraxis für den Umbruch von Dauergrünland verschärfen
- Anreize zur Anlage von neuem Dauergrünland schaffen
- Nutzung und Pflege von ertragsschwachem Grünland durch Ausbau der 2. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik besser honorieren
Wettbewerbsfähigkeit ökologischer und extensiver Grünlandbewirtschaftung verbessern!
- Ökologischen Landbau durch höhere Prämien und intensiveres Marketing stärken
- Extensive und ökologische Formen der Schaf- und Rinderhaltung durch Einführung einer Weideprämie fördern
- Agrarsubventionen bei Ackerland kürzen, bei Grünland erhöhen
- Prämien für späte Mahdtermine auf Wiesen zahlen
Stickstoffeinsatz auf dem Grünland reduzieren!
- Düngegesetzgebung verschärfen
- Beratung zum Umgang mit mineralischen und organischen Düngemitteln ausbauen
- Technische Innovationen bei der Lagerung und Ausbringung von organischen Düngemitteln vorantreiben