Zugvögel vom Winde verweht?
Kommen die Windräder, drohen Singschwan, Sumpfohreule, Kranich und Co. Lebensraumverlust und Tod
Dieses Naturschauspiel ist nahezu einzigartig in Deutschland: Jedes Jahr im September und Oktober treffen Vögel aller Arten aus dem hohen Norden am „Flughafen-Drehkreuz“ Galenbecker See und der angrenzenden Friedländer Große Wiese, dem großen Niedermoorgebiet in Mecklenburg-Vorpommern ein. Hunderttausende Vögel – darunter Kranich, Seeadler, aber auch der seltene Schreiadler, die Sumpfohreule, nordische Gänse, Kiebitz oder Goldregenpfeifer und noch viele andere Vogelarten – rasten auf ihren Winterzügen am See und auf der Wiese. Sie futtern, erholen sich oder beziehen ihr Winterquartier. Damit sind See und Wiese zusammen ein wichtiger Hotspot für Zugvögel. Nahezu stündlich sind etwa ab Mitte September die eleganten Kraniche aus dem Baltikum, aus Finnland und Lettland im Anflug. Sie genießen das First-Class-Schlemmerangebot: Feldpflanzen, Insekten, Regenwürmer.
Infobox Friedländer Große Wiese
In den Fünfzigerjahren wurde die Wiese, das größte Niedermoorgebiet Norddeutschlands, endgültig trockengelegt, um besser Landwirtschaft betreiben zu können. Die Wiese und das Naturschutzgebiet Galenbecker See waren über Jahre vielen Belastungen ausgesetzt. Erst mit dem mehrjährigen und maßgeblich über EU-Gelder geförderten Projekt „Naturraumsanierung Galenbecker See“ wurde zumindest einen Teil des Gebietes renaturiert. Fast sechs Millionen Euro wurden dafür investiert. Seitdem kamen die Vögel in wachsender Anzahl; der See erholte sich. Auf einem Teil der Friedländer Große Wiese soll nun ein Windpark entstehen, der die Naturschutzziele im gesamten Gebiet gefährdet.
In diesem Herbst aber könnte es das letzte Mal sein, dass Ornithologen, Naturfreunde, Touristen und Fotografen die geflügelten Gäste des „internationalen Flugverkehrs“ in dieser immensen Vielfalt bestaunen können. „Die Friedländer Große Wiese ist ein großartiger Rastplatz für zahlreiche Wat- und Wasservögel“, sagt Hilmar Freiherr von Münchhausen, Geschäftsführer der Deutschen Wildtier Stiftung. „Wenn in dieses Naturparadies Windenergieanlagen gebaut werden, wird dies dramatische Folgen für die Vogelwelt haben.“
Auf einer Fläche von insgesamt 251 Hektar soll ein Windpark entstehen. Zwölf Windkrafträder, jedes über 200 Meter hoch, sollen gebaut werden. Der Streit um die Friedländer Große Wiese dauert bereits seit über fünf Jahren – jetzt stand die fünfte öffentliche Beteiligung an. Die Deutsche Wildtier Stiftung dokumentiert seit vielen Jahren die Vielfalt der Vogelwelt auf der Friedländer Große Wiese und am Galenbecker See. „Es ist bereits gelungen, dass ein benachbartes Windeignungsgebiet aus der Planung gestrichen wurde. Jetzt muss es darum gehen, mit allen Kräften gemeinsam darum zu kämpfen, dass die Friedländer Große Wiese frei von Windenergieanlagen bleibt“, so der Geschäftsführer der Deutschen Wildtier Stiftung.