Im Spätsommer werden Moore zur Kinderstube bedrohter Arten
Die jungen Moorfrösche und Libellen sind geschlüpft, Kreuzotter und Mooreidechse bekommen Nachwuchs, Spinnen haben Paarungszeit
Hier hüpfen im Hochsommer die jungen Moorfrösche (Rana arvalis) herum. Die Jungtiere haben wie fast alle Amphibienarten ihre Metamorphose nun abgeschlossen und ihre Fortpflanzungsgewässer verlassen. An Land teilen sie sich mit allen anderen ausgewachsenen Fröschen den Sommerlebensraum und schnappen nach fetter Beute: Regenwürmer, Käferlarven, Spinnen oder Blattläuse, Wanzen und Hundertfüßer stehen auf dem Froschspeiseplan.
Auch die schlanke Hochmoor-Mosaikjungfer (Aeshna subarctica), die zu den in Deutschland vom Aussterben bedrohten Libellenarten zählt, bevorzugt Hoch- und Übergangsmoore als Lebensraum. Sie verbleibt bis zu vier Jahre bis zur Geschlechtsreife als Larve in ihrem Fortpflanzungsgewässer. Ist sie geschlüpft, beginnt die Paarungszeit. Die Mooreidechse (Zootoca vivipara), die andernorts auch Waldeidechse genannt wird, liebt ihre Sonnenbäder auf den Ästen alter Bäume oder Totholzinseln. Als einzige der heimischen Eidechsenarten ist sie lebendgebärend. Aus bis zu zehn dünnen Eihüllen, die bei der Geburt aufplatzen, schlüpfen fertige kleine Reptilien, die sofort selbstständig sind und sich auf die Jagd nach Insekten und Spinnen begeben.
Die Kreuzotter (Vipera berus) tut es der Echse gleich: Sie bringt jetzt im August ihren etwa 15 Zentimeter langen Nachwuchs zur Welt. Wespen- und Kreuzspinnen weben ihre Netze unermüdlich zwischen festen Gräsern und Ästen und bereiten sich auf den Altweibersommer vor. Beide Arten zählen zu den Radnetzspinnen, deren Paarungszeit im August beginnt. Das Paarungsritual der Kreuzspinne (Araneus) sucht seinesgleichen: Das Männchen spinnt an das Netz des Weibchens einen Bewerbungsfaden. Zupft es in einer ganz speziellen Weise daran, erkennt die Angebetete das Liebeswerben und seilt sich paarungsbereit zum Bräutigam herab.
„Entwässerung, Nährstoffeinträge, intensive Landnutzung wie auch der Klimawandel bedrohen unsere heimischen, seltenen Moore und damit auch viele Tierarten“, sagt Professor Dr. Klaus Hackländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Wildtier Stiftung.
Die Stiftung schützt Moore: Ende 2021 konnte sie mit Mitteln des Bundes das 471 Hektar große Wildnisgebiet Aschhorner Moor erwerben. So leistet sie einen Beitrag zur Umsetzung des Zwei-Prozent-Wildnisziels im Rahmen der Nationalen Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung. Im nächsten Jahr wird es im Auftrag der Stiftung eine Erfassung aller Libellen und Froscharten geben. Beide Artengruppen sind gute Zeiger für das Ökosystem Moor.
Sie wollen das Naturwunder Aschhorner Moor selbst live erleben? Die Moorkieker bieten Rundfahrten an:
https://verein-naturerlebnisse.de/moorkieker/
Was genau bedeutet eigentlich „Wildnis“?
„Wildnisgebiete sind ausreichend große, (weitgehend) unzerschnittene, nutzungsfreie Gebiete, die dazu dienen, einen vom Menschen unbeeinflussten Ablauf natürlicher Prozesse dauerhaft zu gewährleisten.“
Dies ist die Definition für Wildnisgebiete in Deutschland laut der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt (NBS). Die Gebiete müssen also möglichst kompakt und zusammenhängend sein und eine Mindestgröße von 1.000 Hektar, in Auwäldern, Mooren und an Küsten von mindestens 500 Hektar, aufweisen. Wildnis laut dieser Definition existiert aktuell nur noch auf rund einem halben Prozent der Landesfläche Deutschlands. Damit wurde das politische Ziel, bis 2020 der Natur auf mindestens zwei Prozent der Fläche Raum für eine ungelenkte Entwicklung zu geben, bisher klar verfehlt. Die Deutsche Wildtier Stiftung steuert dagegen und setzt sich für die Erschaffung und den Erhalt von Wildnis ein.