Junge Waldrappe lernen jetzt fliegen
Die Deutsche Wildtier Stiftung unterstützt die bedrohten Vögel erneut mit 40 GPS-Sendern.
Eng in die Felsnische gedrückt hocken zwei Waldrappküken in ihrem Nest an den steilen Felshängen des Georgenberges im Salzburger Land. Ihre Eltern sind auf Nahrungssuche und schaffen Regenwürmer und Larven für den Nachwuchs herbei. Wie alle Küken betteln auch kleine Waldrappe um Futter, bevor sie nach wenigen Wochen in der Lage sind, sich selbst Nahrung zu beschaffen. Der Platz, den sie in der Felswand für sich haben, beträgt weniger als einen Quadratmeter, viel ist das nicht. Die Situation in gut 20 Metern Höhe ist für die Küken nicht ungefährlich, erfüllt aber ihren Zweck: „Die unzugänglichen Nester schützen die Jungvögel vor Prädatoren“, sagt Lisbet Siebert-Lang vom Tiergarten Schönbrunn in Wien und Mitarbeiterin im Waldrappteam Conservation & Research. Lernen die Küken in rund 40 bis 45 Tagen das Fliegen, sind sie so groß wie ihre Eltern. Sie wiegen dann etwas mehr als ein Kilogramm und ihre schwarzen Flügel haben eine Spannweite von gut 1,20 Meter.
Rund 50 Jungvögel sind es insgesamt, die in Burghausen (Bayern), in Überlingen am Bodensee (Baden-Württemberg) sowie in Kuchl und Rosegg (Österreich) als Teil einer europäischen Auswilderungskolonie in diesem Jahr geschlüpft sind. Bei ihnen übernehmen bereits die Vogeleltern das Füttern, nicht mehr der Mensch. Dazu kommen 31 Jungvögel, die von Hand aufgezogen werden und erst später zu selbstständig lebenden Waldrappen werden. Nachdem sie flügge geworden sind, gehen alle jungen Waldrappe mit ihren langen Schnäbeln allein auf Würmer- und Schneckensuche. Ab September heißt es für sie: ab in die Toskana. Dann fliegen die jungen Waldrappe in ihr Winterquartier bei Orbetello. Eine sehr gefährliche Reise. Die Flugstrecke ist rund tausend Kilometer lang. In dieser Zeit fliegen die Vögel nicht nur, sie rasten auch und gehen auf Nahrungssuche am Boden. „Es lauern viele Gefahren auf sie. Bislang haben wir jedes Jahr Tiere an Strommasten und illegale Abschüsse verloren. Für die noch fragile Population kommt es noch auf jeden Vogel an“, sagt Siebert-Lang. Bis 2028 soll es eine selbsterhaltende, migrierende Waldrapp-Population in Europa geben – aber das ist noch ein weiter Weg.
GPS-Sender, die auf der riskanten Reise durchgehend über den Aufenthaltsort der Tiere informieren, sind ein wichtiges Instrument zum Schutz der Waldrappe, denn sie helfen, Gefahrenstellen zu erkennen und bestenfalls zu beheben. Die Deutsche Wildtier Stiftung unterstützt die Waldrappschützer mit dem Kauf solcher ultraleichten Sender, die am Rücken der Vögel befestigt werden. In diesem Jahre waren es 40 GPS-Sender, die der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Wildtier Stiftung, Professor Dr. Klaus Hackländer, in Wien überreichte. „Die Sender leisten einen wichtigen Beitrag zur Identifizierung und Überführung illegaler Jäger, die leider noch immer einen großen Teil der Verluste an Waldrappen in Italien verursachen“, sagt der Wildtierbiologe. Immer wieder gibt es derartige Todesfälle. So wurde Ende Mai das erst drei Jahre alte Waldrapp-Weibchen „Gero“ von Wilderern erschossen. Das Fliegen über die Alpen hatte „Gero“ als Jungvogel von Vogelschützern des Waldrappteam Conservation & Research gelernt. „Der Verlust bestärkt uns darin, weiter gegen die illegale Jagd anzukämpfen“, sagt Dr. Johannes Fritz, Projektleiter des Waldtrapp-Teams.