Kienbruchwiese: Wo der Schreiadler zu Fuß jagt
Bericht aus Klepelshagen
Auf einem Teil der Kienbruchwiese auf dem stiftungseigenen Gut Klepelshagen wucherte bis vor Kurzem ein Erlenwäldchen. Jetzt haben wir die Fläche gerodet, und wer sie sieht, kann sich kaum vorstellen, was sich hier bald entwickeln wird: eine blühende, artenreiche Feuchtwiese. Seit 20 Jahren arbeiten wir daran, die Kienbruchwiese wieder in einen wertvollen, artenreichen Feuchtlebensraum zu verwandeln, in dem sich seltene Tierarten wie Schreiadler und Sumpfschrecke wohlfühlen. Mit der Rodung des Wäldchens ist jetzt der letzte Schritt getan und die gesamte Wiese wiederhergestellt.
Feuchtwiesen sind Graslandschaften, die zeitweilig – meist im Frühjahr – unter Wasser stehen. Diese einzigartigen und wertvollen Biotope entstehen nicht auf natürliche Weise. Erst wenn der Mensch Niedermoorgebiete extensiv als Weide oder zur Tierfuttergewinnung nutzt, kann sich eine Feuchtwiese entwickeln. Weil der Ertrag gering und die Heuqualität oft mäßig ist, werden diese Flächen nur einmal im Jahr gemäht. So können sich seltene Tier- und Pflanzenarten ansiedeln, die sich perfekt an wechselnde Wasserstände und den Rhythmus der Mahdtermine angepasst haben.
Die Kienbruchwiese in Klepelshagen wurde früher im Sommer als Pferdewiese genutzt. Als in den 1990er-Jahren die Beweidung endete, verdrängten konkurrenzstarke Pflanzen die kleineren und anspruchsvolleren Arten, die typisch für Feuchtwiesen sind. Ende der 90er-Jahre übernahm die Deutsche Wildtier Stiftung die Kienbruchwiese, und 2004 begannen wir damit, die Fläche schrittweise wieder in den wertvollen Feuchtlebensraum zu verwandeln, der sie einst war. Mit einem Stauwerk regelten wir den Wasserhaushalt zugunsten der Artenvielfalt. Durch die jährliche Mahd konnten sich wieder Pflanzen wie das Steifblättrige Knabenkraut (Dactylorhiza incarnata), die Kuckuckslichtnelke (Lychnis flos-cuculi), der Gewöhnliche Blutweiderich (Lythrum salicaria) oder das Sumpf-Vergissmeinnicht (Myosotis scorpioides) ansiedeln. Auch typische Tierarten wie die seltene Sumpfschrecke (Stethophyma grossum) haben die Wiese zurückerobert.
Für den vom Aussterben bedrohten Schreiadler (Aquila pomarina) sind bewirtschaftete Feuchtwiesen eine wichtige Futterquelle. Zwischen den niedrig wachsenden Pflanzen jagt er zu Fuß Mäuse und Amphibien. Weil immer mehr geeignete Feuchtwiesen verlorengehen, sind viele Brutreviere für den Schreiadler weniger lebenswert geworden. Doch die Kienbruchwiese bleibt als Jagdgebiet für den seltenen Greifvogel erhalten.
Auf einem Teil der Wiese hatte sich über die Jahre ohne Mahd und Beweidung ein artenarmes Erlenwäldchen entwickelt. Die Schwarz-Erle (Alnus glutinosa) erobert solche nassen Standorte sehr schnell und lässt kein Licht und keinen Raum für andere Arten mehr. Im August 2024 haben wir das Wäldchen auf einer Fläche von mehr als 7.000 Quadratmetern gerodet und damit die Wiese in ihrer ursprünglichen Größe wiederhergestellt. Damit die Fläche in Zukunft problemlos gemäht werden kann, haben wir sie anschließend mit Maschinen eingeebnet – Unebenheiten und alte Baumstümpfe können die Mähwerkzeuge beschädigen. Nach diesen Maßnahmen sieht das ehemalige Wäldchen jetzt wüst und öde aus.
Man braucht schon viel Vorstellungskraft, um die artenreiche Feuchtwiese zu erahnen, die sich hier entwickeln soll. Doch im Frühjahr wird schnell Leben einziehen, wenn sich typische Pflanzen und Tiere ansiedeln. Dann wird aus dem ehemaligen Erlenwäldchen wieder ein vielfältiges Feuchtbiotop.