Kleiner Tümmler in großer Not

Es ist entschieden: der Schweinswal ist unser Tier des Jahres 2022

Schwimmende Schweinswale mit Jungtier,
Copyright blickwinkel/AGAMI/W. J. Strietman
Die Deutsche Wildtier Stiftung hat den Gewöhnlichen Schweinswal zum Tier des Jahres 2022 gekürt. Der bis zu zwei Meter lange Meeressäuger ist heute nur noch sehr selten zu beobachten, insbesondere in der Ostsee ist die Art stark bedroht. Im kommenden Jahr soll unser einziger heimischer Wal mit all seinen Problemen im Rampenlicht stehen, um ein Bewusstsein für seine Bedürfnisse zu schaffen und um Lösungen voranzutreiben.

Es gehört zu den Höhepunkten von Strandurlauben auf Amrum oder Angelausflügen auf der Ostsee: Plötzlich pflügt eine dreieckige Finne durch das dunkle Wasser, manchmal eine zweite. „Delfine“, rufen die Kinder und vergessen ihre Sandburgen. Aber es sind Schweinswale – denn die gibt es in Nord- und Ostsee. Sie sind keine Delfine, aber deren nächste Verwandte. Der Gewöhnliche Schweinswal (Phocoena phocoena) lebt überwiegend in flachen, küstennahen Meeren und Flussmündungen und ist als einzige Walart ganzjährig in Nord- und Ostsee zu finden. Vor ein paar Jahrzehnten konnten Badegäste an Sylts Küsten regelmäßig Walmütter mit ihren Kälbern beobachten, und in der Kieler Förde wurden häufig Schweinswale gesichtet. Heute ist der bis zu zwei Meter lange Meeressäuger extrem selten geworden. Auch deshalb hat die Deutsche Wildtier Stiftung den Schweinswal, auch Kleiner Tümmler genannt, zum Tier des Jahres 2022 gekürt.

Drei gefährdete Meeresbewohner hatte die Stiftung ihren Spenderinnen und Spendern zur Wahl gestellt. Sie entschieden sich mit sehr deutlicher Mehrheit für den kleinen, scheuen Wal. „Mit der Wahl machen wir auf die Probleme des heimischen Meeressäugers aufmerksam“, sagt Professor Dr. Klaus Hackländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Wildtier Stiftung. Auf Deutschlands Roter Liste wird Phocoena phocoena als „stark gefährdet“ geführt. „Insbesondere in der Ostsee ist die Art stark bedroht“, so Hackländer.

Schweinswale erstickenen als Beifang, hungern durch Überfischung und verenden vergiftet durch Chemikalien

Das zu den Zahnwalen gehörende Tier hat viele Probleme: Zum einen verenden immer wieder Tiere als Beifang in den engmaschigen Stellnetzen der Fischer. Etwa sechs Minuten können Schweinswale unter Wasser bleiben. Dann müssen sie wieder auftauchen, um ihre großen Lungen durch ein Blasloch an der Oberseite des Kopfes zu füllen. Verfangen sie sich unter Wasser in den Netzen, ersticken sie. Doch die Fischerei und die zunehmende Überfischung bringen noch ein weiteres Problem mit sich. Der Rückgang von Schwarmfischen wie Hering, Sprotte und Makrele lässt den Wal hungern. „Schweinswale müssen täglich rund zehn Prozent ihres Körpergewichtes in Form von Fischen, Weichtieren und Krebsen aufnehmen. Säugende Walmütter benötigen besonders viel Nahrung“, erklärt Hackländer. Und auch die schleichende Vergiftung durch das Einleiten von Chemikalien wie Pestiziden, die oft über die Flüsse in Nord- und Ostsee gelangen, wird dem Tier zum Verhängnis.

Unterwasserlärm

Ein weiteres großes Problem ist der zunehmende Lärm im Meer. Vor allem der permanente Unterwasserlärm aus der Schifffahrt macht dem Tier zu schaffen. Hinzu kommen noch weitere Lärmquellen, zum Beispiel bei den Bauarbeiten zu Offshore-Windkraft-Anlagen, bei denen Stahlpfähle in den Meeresboden gerammt werden. Der Krach ist kilometerweit zu hören und eine große Gefahr für das empfindliche Gehör der Tiere. Wie alle Zahnwale machen sich Schweinswale zur Orientierung und Partnersuche sowie für die Fischjagd mit Ultraschallwellen ein akustisches Bild ihrer Umgebung. Bei großem Lärm verlieren sie die Orientierung. Bereits bei einer Entfernung von rund 650 Metern zur Lärmquelle werden Lunge, Gehör und Gehirn geschädigt. Unterwassersprengungen von Militärmunition können zu tödlichen Verletzungen führen.

Forschung für Lösungen

Die Deutsche Wildtier Stiftung setzt sich für den Lebensraumschutz heimischer Wildtiere an den Küsten ein. Mit der Wahl zum Tier des Jahres 2022 soll der Gewöhnliche Schweinswal mit all seinen Problemen im Rampenlicht stehen, um ein Bewusstsein für seine Bedürfnisse zu schaffen. „Wir wollen Lösungen vorantreiben und Licht am Ende des Tunnels aufzeigen“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Wildtier Stiftung. So ist es beispielsweise möglich, bei Bauarbeiten im Meer spezielle walfreundliche Schallschutzvorrichtungen gegen den Lärm zu errichten. Auch die fein gesponnenen Fischereinetze können für Wale sicht- und hörbar gemacht werden. Die Forschung ist hier auf einem guten Weg, der von der Deutschen Wildtier Stiftung unterstützt wird.

Gewöhnlicher Schweinswal ,
© Solvin Zankl

Schweinswal

Der Gewöhnliche Schweinswal ist unser einziger heimischer Wal und in Nord- und Ostsee anzutreffen. Seine bevorzugten Lebensräume sind flache Küstengewässer, in denen er nach Fisch jagt. Wie alle Zahnwale macht sich auch der Schweinswal zur Orientierung, Partnersuche und Jagd nach Fischen durch Ultraschallwellen ein akustisches Bild seiner Umgebung. Beim Auftauchen aus dem Wasser ist ihre kleine dreieckige Finne gut zu erkennen.

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Tier des Jahres 2022

Mit der Wahl des „Tier des Jahres“ setzt die Deutsche Wildtier Stiftung die langjährige Arbeit der Schutzgemeinschaft Deutsches Wild fort. Das Tier des Jahres soll in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit erhalten aufgrund seiner Gefährdung, der Bedrohung seines Lebensraumes oder weil es einen Mensch-Wildtier-Konflikt hervorruft. Denn alle Wildtiere sind faszinierend und brauchen eine Stimme, damit ihr Überleben langfristig gesichert werden kann.

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Heimische Küstengebiete schützen

Unsere Küsten bilden nur einen schmalen Saum an Nord- und Ostsee, dabei gehören sie mit zu einem der spannendsten Lebensräume. In Wattenmeer, Boddenlandschaften und Sandbänken hat sich über Jahrhunderte eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt entwickelt. Doch diese besonderen Biotope sind bedroht, z. B. durch Fischerei oder Müllverschmutzung. Wir setzen uns dafür ein, diesen besonderen Naturschatz zu bewahren.

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