Wanderratten gehen auf Küstenvogeljagd
Zwischenstand nach zwei Jahren Forschung im Wattenmeer
Über den Olanddamm wandern Füchse, Marder und andere Räuber auf die Halligen Oland und Langeneß ein. Auch Wanderratten sorgen für große Verluste unter den Gelegen und Küken. Daher wurde ein systematisches Monitoring auf allen drei Halligen eingeführt, das den Bruterfolg der Küstenvogelarten dokumentiert. Seit 2021 fördert die Deutsche Wildtier Stiftung ein Projekt des Vereins Schutzstation Wattenmeer e. V., das den Einfluss der unterschiedlichen Fressfeinde auf die Küstenvogelbestände der drei Halligen untersucht. Jetzt liegen die Ergebnisse aus den ersten zwei Untersuchungsjahren vor.
2021 und 2022 beobachteten die Vogelschützer jeweils von Anfang Mai bis Ende Juli insgesamt fast 700 Gelege von Fluss- und Küstenseeschwalbe, Austernfischer und Lachmöwe sowie einiger anderer Arten mit Wildkameras. Zusätzlich führten sie ein flächendeckendes Monitoring von Wanderratten durch: 649 Fraßhölzer sollten zeigen, wie viele Ratten auf den drei Halligen unterwegs sind. Alle zwei Wochen wurden sie auf Bissspuren untersucht. 2022 wurde das Rattenvorkommen außerdem mit Wärmebildkameras systematisch erfasst.
Die Aufnahmen der Wildkameras zeigten insgesamt 208 Nestverluste durch Fressfeinde. Die meisten dieser Angriffe, nämlich 140, gingen auf das Konto der Wanderratte. Dabei stellten die Vogelschützer Unterschiede zwischen den drei Halligen und auch zwischen den Untersuchungsjahren fest: 2021 plünderten Wanderratten 110 Nester, 2022 waren es nur 30. Hallig Hooge war mit einem Anteil von 87 (2021) und 22 (2022) Nestverlusten durch Wanderratten am stärksten betroffen. Und auch wenn die Zahl 2022 niedriger lag: Einige Kolonien auf Hallig Hooge verloren alle ihre Nester. Auf Hallig Langeneß erfassten die Forscher in den beiden Untersuchungsjahren 31 Nestverluste durch Wanderratten, auf Hallig Oland keine.
Außerdem wiesen die Vogelschützer auf den drei Halligen weitere Fressfeinde wie Möwen, Rabenkrähen oder Steinmarder nach. Diese richteten aber weniger Schäden in den Vogelkolonien an. Rotfuchs und Marderhund wurden zwar nachgewiesen, tauchten aber im Monitoring nicht als Nesträuber auf. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass sie Brutverluste verursachten, denn das Monitoring erfasst nur einen sehr kleinen Teil der Brutvorkommen.
Das Video zeigt beispielhaft, wie Ratten auf Hallig Hooge die die Nester von Fluss- und Küstenseeschwalben plündern.
Die Untersuchung mit Fraßhölzern bestätigt den hohen Anteil an Wanderratten, den die Kameraaufnahmen für 2021 zeigten. Auf Hallig Hooge wurden 41 Prozent der Hölzer angefressen und auf Langeneß 14 Prozent. Nur auf Oland fanden die Wissenschaftler keine Fraßspuren. Für 2022 ergab die Untersuchung kein einheitliches Bild, doch die Forscher konnten die Rattenbestände mit Wärmebildkameras und Drohnen erfassen. Dabei beobachteten sie auch, dass Wanderratten gezielt brütende Altvögel attackieren, bevor sie Nester plündern. Fluss- und Küstenseeschwalben verließen sofort ihre Nester, sobald die Ratten auftauchten. Einige Austernfischer dagegen verteidigten ihr Nest und wehrten die Angriffe ab.
Phänologie der Nestverluste durch Wanderratten 2021 und 2022
Angesichts der Ergebnisse des zweijährigen Monitoringprojekts steht zu befürchten, dass der Bestand der Brutvögel auf den drei Halligen kurzfristig zurückgehen wird, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Deshalb hat die Schutzstation Wattenmeer (www.schutzstation-wattenmeer.de) in Zusammenarbeit mit der Universität Hamburg 2022 ein Projekt zur Bekämpfung der Wanderratten gestartet. Laut den Vogelschützern wird das aber nicht ausreichen. Es braucht außerdem ein systematisches Management der Fressfeinde, um die Halligen als dauerhaften Lebensraum für die wertvollen Brutvogelbestände zu erhalten.