Mangelnder Tierschutz im Staatsbetrieb Sachsenforst
Die Bundesländer Bayern und Sachsen nennen sich beide nicht nur Freistaat, beide gehen auch sehr rigoros bei der Jagd auf Rotwild, Gams oder Rehwild vor - vor allem in den staatseigenen Wäldern. Während in Bayern bereits seit 2005 die Doktrin „Wald vor Wild“ herrscht, hat der Staatsbetrieb Sachsenforst vor wenigen Jahren sein besonderes Interesse an bäumeknabbernden Wildtieren entdeckt. Im sächsischen Erzgebirge wurde jüngst die Abschussfreigabe von Rotwild für die laufende Jagdsaison stark erhöht: Fast 400 Tiere dürfen nun mehr erlegt werden als ursprünglich vorgesehen!
„Oberstes Gebot bei der Jagd auf Rotwild ist die Beachtung des Tierschutzes“, sagt Dr. Andreas Kinser von der Deutschen Wildtier Stiftung. Aber dies scheint im konkreten Fall fraglich zu sein. In mehreren Erzgebirgsrevieren der staatlichen Forstbetriebe Neudorf und Eibenstock wurden in den vergangenen zwei Jahren deutlich mehr Alttiere erlegt als Kälber. „Wenn der gesetzlich vorgeschriebene Muttertierschutz beim Rotwild eingehalten wird, muss die Jagdstrecke der Kälber immer höher sein als die der Alttiere“, so Kinser. Zwangsläufig müssen in den staatlichen Forstbetrieben Rotwildkälber verwaist sein, die aus dem Rudel ausgestoßen werden und kaum eine Chance haben, den Winter im Erzgebirge zu überstehen. Im Einzelfall kann es sich dabei um den Tatbestand einer Straftat handeln, von dem die Eigentümer des Waldes, also die Bürger des Freistaats Sachsen, wohl kaum etwas ahnen.
Der Fall macht deutlich, dass der Staatsbetrieb Sachsenforst in den vergangenen Jahren ganz gegen die Intention eines Freistaates zum Alleinherrscher geworden ist. Denn die Abschusserhöhung wurde gegen den Widerstand der örtlichen Hegegemeinschaft und den des Jagdbeirats des Landkreises durchgedrückt - also gegen die verantwortlichen Akteure vor Ort. Möglich wird dies, in dem die Genehmigungsbehörde für den Staatsbetrieb Sachsenforst in der eigenen Verwaltung sitzt. Gleiches gilt bei der Prüfung möglicher Vergehen gegen den Muttertierschutz bei der Rotwildjagd in Staatsforstbetrieben - sie werden aktuell vom hauseigenen Kompetenzzentrum des Staatsbetriebes Sachsenforst verfolgt. „Ein Skandal“, erklärt der stellvertretende Leiter Natur- und Artenschutz der Deutschen Wildtier Stiftung. „Vergleichbar wäre die offizielle Beauftragung von VW zur Untersuchung der Abgasaffäre.“
Bad Driburger Erklärung
Hintergrund
Die Deutsche Wildtier Stiftung hat in ihrer „Bad Driburger Erklärung“ Rahmenbedingungen und jagdpraktische Empfehlungen für eine wirkungsvolle Rotwildreduktion unter Berücksichtigung des Tierschutzes formuliert. Im Mittelpunkt steht dabei der Anspruch, dass Rotwildreduktion niemals Dauerzustand sein darf, sondern als ein zeitlich und räumlich begrenztes Projekt verstanden werden muss. Hintergründe zu den Vorgängen im Erzgebirge und die Bad Driburger Erklärung finden Sie unter http://www.Rothirsch.org