Frühkindliche Naturbildung ist zentral!
Was bedeutet Ihnen Natur?
Sehr viel. Meine Kindheit habe ich im ostbrandenburgischen Seelow verlebt. Dort war ich der Natur sehr nahe. Ich bin oft mit meinen Freundinnen und Freunden auf die Bäume geklettert, wir haben uns Buden im Wald gebaut. Heute erkunde ich die Natur in Mecklenburg-Vorpommern am liebsten mit dem Fahrrad – gemeinsam mit meiner Familie und mit Freunden.
Eltern wünschen sich ein bedarfsgerechtes, aber vor allem auch vielseitiges Betreuungsangebot für ihre Kinder.
Wie bringen Sie denn Ihrem 7-jährigen Sohn Natur nahe?
Wenn ich an meinen freien Tagen zu Hause in Schwerin bin, arbeite ich oft mit ihm im Garten ... oder wir klettern gemeinsam in sein Baumhaus und spielen dort.
Liebe zur Natur muss wachsen. Dazu müssen Kinder Natur erleben. Wird Bildung – auch Naturbildung – in Kitas vernachlässigt?
Eltern wünschen sich ein bedarfsgerechtes, aber vor allem auch vielseitiges Betreuungsangebot für ihre Kinder. Hier haben wir an einigen Stellen noch Verbesserungsbedarf. Es ist daher eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern, Kommunen und freien Trägern, ein breites Angebot an guter Qualität sicherzustellen. Da sind wir auf einem guten Weg.
Mit der „Offensive frühe Chancen“ unterstützen Sie u.a. gezielte Sprachförderung für Kinder vor der Einschulung. Der renommierte Kinderarzt Dr. Renz-Polster kritisiert die zu frühe Vermittlung kognitiver Kompetenzen ...
Frühkindliche Bildung ist zentral für die weitere Entwicklung eines Kindes. Dabei geht es selbstverständlich nicht allein um die Entwicklung kognitiver Kompetenzen, sondern vor allem auch um die non-kognitive und sozio-emotionale Förderung der Kinder. Letztlich sollen sie sich zu eigenverantwortlichen, gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten entwickeln können. Das müssen wir durch eine gute frühe Erziehung, Bildung und Betreuung gewährleisten.
Regelmäßige Ausflüge in die Natur sollten zum pädagogischen Alltag gehören.
Der Bund will einen regelmäßigen Austausch zu Struktur- und Qualitätsfragen der Kindertagesbetreuung anstoßen?
Im November hat das erste Treffen mit Fachministerinnen und –ministern der Länder stattgefunden, wo wir erste gemeinsame Ziele für die Qualitätsentwicklung in Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege vereinbart haben. Diese Ziele sollen dann im Dialog mit den dafür Verantwortung tragenden Verbänden und Organisationen konkretisiert und gemeinsam umgesetzt werden. Ein Aspekt ist die sprachliche Förderung in den Kindertageseinrichtungen durch das Bundesprogramm „Schwerpunkt Kitas Sprache und Integration“. Besonders unterstützt das Bundesprogramm konzeptionell eine alltagsintegrierte sprachliche Bildungsarbeit, die in der pädagogischen Praxis verankert werden soll.
Und wo bleibt da die Naturbildung?
Die hat doch auch mit Sprache zu tun. Wenn Kinder beispielswiese beim Obstschneiden helfen dürfen oder im Garten die feuchte Erde an den Händen spüren und mit ihr experimentieren, dann erfahren sie Sprache sinnlich und verpacken ihre bedeutungsvollen Erfahrungen in Worte. Bildungsarbeit schließt sowohl alltägliche Routinesituationen als auch geplante und freie Spiel- und Bildungssituationen innerhalb und außerhalb der Kitas, wie Projekte, Ausflüge, gemeinsame Aktionen und Veranstaltungen ein.
Über Manuela Schwesig
Manuela Schwesig, geboren 1974 in Frankfurt (Oder) ist seit Dezember 2013 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Als studierte Diplom-Finanzwirtin arbeitete sie bei den Finanzämtern Frankfurt (Oder) und Schwerin und wechselte 2002 in das Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern. Seit 2003 ist sie Mitglied der SPD und war hier in verschiedenen politischen Positionen tätig. 2008 wurden Schwesig zur Ministerin für Soziales und Gesundheit des Landes MV gewählt, 2009 zur stellvertretenden Parteivorsitzenden der SPD.
Manuela Schwesig ist verheiratet und lebt mit Mann und Sohn in Schwerin.
Weitere Informationen finden Sie auf www.manuela-schwesig.de
Kinder lernen Sprache über die Natur?
Das liegt doch auf der Hand. Beim Waldspaziergang beispielsweise können intensive Gespräche entstehen, wenn Kinder den Ameisen auf die Spur kommen oder Eichhörnchen beobachten, die Bäume hochklettern und von Ast zu Ast springen. Kinder werden Erfahrenes, Erlebtes und Gefühltes mithilfe der Sprache ausdrücken. Wenn sie so bedeutungsvolle Erfahrungen machen, kann das einen intensiven Austausch anregen, zwischen Erziehern und Kinder, aber auch zwischen den Kindern untereinander.
Sie wollen beim Ausbau der Kitas Gesundheitsförderung und gesunde Ernährung in den Fokus rücken. Welche Mittel stehen dafür zur Verfügung?
Der Kita-Ausbau geht voran. Wir sind auf einem guten Weg. Immer mehr Eltern wünschen sich einen Kita-Platz oder eine Tagesmutter für ihre Kinder. Für mehr Kitas und gute Kita-Plätze werden wir in dieser Legislaturperiode eine Milliarde Euro zur Verfügung stellen. Zudem unterstützt der Bund ab 2015 den dauerhaften Betrieb der neu geschaffenen Kita-Plätze zusätzlich mit jährlich 845 Millionen Euro.
Wie profitiert die Naturbildung von diesen Initiativen?
Für mich ist das gesunde Aufwachsen von Kindern von zentraler Bedeutung. Dazu gehört eine gesunde Ernährung, ausreichend Bewegungsräume innerhalb und außerhalb der Kita, die zu kreativem Spiel, aber auch zum Toben und Entdecken der Umwelt anregen. Selbstverständlich gehört dazu auch die Wahrnehmung und Wertschätzung der Natur in ihrer Vielfältigkeit. Deshalb sollten die Außengelände der Kindertagesstätten so gestaltet sein, dass Natur dort bestmöglich erfahrbar wird. Auch regelmäßige Ausflüge in die Natur sollten zum pädagogischen Alltag gehören.
Seit dem 1. August 2013 haben Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für Kinder ab einem Jahr. Doch für eine anspruchsvolle Betreuung fehlen 120 000 Erzieher, wie die Bertelsmann-Stiftung ermittelt hat. Was tut die Bundesregierung?
Diese Zahl kann ich nicht bestätigen. Mit dem Inkrafttreten des Rechtsanspruchs für Kinder ab dem vollendeten ersten Jahr haben wir einen wichtigen Schritt gemacht. Richtig ist, dass mit zunehmendem Ausbau auch der Bedarf an qualifiziertem Personal zunimmt. Die aktuellen Zahlen der Kinder- und Jugendhilfe-Statistik zeigen aber, dass wir gut gerüstet sind. Insgesamt gibt es derzeit über 490 000 Fachkräfte. Damit ist der prognostizierte Personalbedarf bundesweit erstmals gedeckt worden, auch wenn es regional noch einzelne Engpässe gibt.
Sie sehen also optimistisch in die Zukunft?
Sicherlich müssen wir auch in den nächsten Jahren, vor dem Hintergrund der steigenden Zahl der Kita-Plätze, beim Thema qualifizierte Erzieher wachsam sein. Wir sind da aber auf einem guten Weg, und ich bin zuversichtlich, dass der Personalbedarf auch künftig gedeckt werden kann, denn die Länder haben ihre Ausbildungskapazitäten ausgeweitet.
Das Gespräch führte Susanne Kunckel.