Neue Regelung zum Abschuss von Wölfen
Der Vorstoß der Bundesumweltministerin klingt erst einmal gut und praktikabel, ist von einer bundesweiten Lösung aber noch weit entfernt.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat am Donnerstag, den 12. Oktober, eine neue Regelung zum erleichterten Abschuss von Wölfen in Regionen mit erhöhtem Rissvorkommen vorgestellt:
„Der Vorschlag für Schnellabschüsse sieht vor, dass in Gebieten mit erhöhtem Rissvorkommen Abschussgenehmigungen schneller erteilt werden können, weil nicht mehr das Ergebnis eines DNA-Tests abgewartet werden muss. Sobald es einen Wolfsübergriff auf Weidetiere in Gebieten mit erhöhtem Rissvorkommen gibt, die durch Herdenschutzmaßnahmen zumutbar gesichert waren, kann nach Erhalt der Abschussgenehmigung 21 Tage lang im Umkreis von 1.000 Metern um die Weide ein Wolf geschossen werden. Die DNA-Analyse wird aber dennoch durchgeführt, um im weiteren Verlauf zu klären, ob der den Riss verursachende Wolf getroffen wurde.“
Der Wolfsexperte und Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung Prof. Klaus Hackländer schätzt den Vorstoß der Ministerin folgendermaßen ein:
Der Vorschlag von Frau Lemke klingt erst einmal gut und praktikabel, von einer bundesweiten Lösung sind wir aber noch weit entfernt. Es ist zu begrüßen, dass Frau Lemke einem unbürokratischeren Entnahmeprozess von Einzelwölfen zustimmt. Der Vorschlag ist aber nicht neu, sondern beinhaltet lediglich eine Veränderung des ohnehin nicht rechtsverbindlichen Praxisleitfadens über den Umgang mit dem Wolf. Eine Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes und der FFH-Richtlinie – beides wäre Frau Lemkes Zuständigkeitsbereich – wird von ihr nicht weiterverfolgt. Sie schiebt damit die Verantwortung den Bundesländern zu, die den jetzt vorgeschlagenen Weg ohnehin schon umsetzen konnten. Fakt ist, dass durch den Vorschlag von Frau Lemke die Entnahme nach wie vor eine Einzelfallentscheidung bleibt und nicht pauschal Wölfe reguliert werden können. Wenn die Bundesländer dem Vorschlag von Frau Lemke folgen, ist dies im Sinne der Nutztierhalter und steht nicht grundsätzlich im Widerspruch zur FFH-Richtlinie, die ja in Artikel 16 Ausnahmen vom strengen Schutz vorsieht.
Zu bedenken ist aber, dass
- bundesweit festgelegt werden müsste, wie viele dieser Einzelfälle es maximal pro Jahr geben darf. Dies sollte sich daran orientieren, dass der günstige Erhaltungszustand nicht verschlechtert wird beziehungsweise die Erreichung des günstigen Erhaltungszustands nicht gefährdet ist. Diese Zahl festzulegen, ist Aufgabe von Frau Lemke.
- unklar bleibt, wer diese Abschüsse in jenen Ländern umsetzen soll, in denen der Wolf nicht im Jagdrecht geregelt ist. Aktuell ist der Wolf nur in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Sachsen im Jagdrecht verzeichnet. Die Bundesländer sollten also nach dem Wunsch von Frau Lemke nicht nur bis zum 1. Januar 2024 eine abgestimmte Vorgangsweise im Umgang mit sogenannten Problemwölfen schaffen, sondern in den meisten Ländern auch das Jagdgesetz anpassen. 13 Landesjagdgesetze zu verändern, ist sicherlich schwieriger als das Bundesjagdgesetz entsprechend zu überarbeiten.
Was notwendig wäre ist, dass die Bundesländer den Vorschlag von Frau Lemke umsetzen, sofern es nicht schon zum Teil geschehen ist, und dass Frau Lemke aufgrund der Zahlen, die das Bundesamt für Naturschutz kürzlich zum Bestand des Wolfs in Deutschland publiziert hat, als Grundlage dafür nimmt, in Brüssel für eine Herabsetzung des Schutzstatus des Wolfs in der FFH-Richtlinie zu plädieren. Schließlich gilt der Wolf seit 2007 in Europa als „nicht gefährdet“ und der jahrzehntealte Schutzstatus ist nicht mehr gerechtfertigt. Dieses Dilemma für den Artenschutz (strenger Schutz für eine nicht bedrohte Tierart) ist für die Akzeptanz des Artenschutzes und auch des Wolfs in unserer Gesellschaft nicht vorteilhaft.