Schreiadlerküken geschlüpft – jetzt wird es spannend
Live-Webcam
In den kommenden Monaten kann man die Aufzucht des Schreiadlerkükens über eine Live-Webcam in Echtzeit mitverfolgen. Vorausgesetzt, alles geht gut. Denn das Leben eines Schreiadlerkükens ist nicht ungefährlich: Zwar umsorgen die Altvögel ihr Junges liebevoll und füttern es mit Fröschen und Mäusen, aber Nesträuber wie etwa Habicht oder Baummarder werfen stets ein Auge auf die Beute, die ohne den Schutz der Altvögel leicht zu haben ist. Gerade in Jahren mit wenig Nahrung im Umfeld des Schreiadlerhorstes müssen beide Elternteile das Futter heranschaffen, das Küken ist dann lange Zeit schutzlos und allein im Nest. So dokumentierte die Kamera im Jahr 2020, wie ein Adlerküken vom Habicht geschlagen wurde. Mit einem Schlag war die Hoffnung der Fangemeinde vorbei, ein Adlerküken aufwachsen zu sehen. Im letzten Jahr aber gelang die Aufzucht, und der kleine Adler flog im September allein und ohne Eltern – so ist es bei Schreiadlern üblich – die weite Strecke ins Adler-Winterquartier nach Südafrika.
Die Webcam ist ein Schreiadlerprojekt der Staatlichen Forstverwaltung in Lettland, das Brutgeschehen kann an zwei dortigen Schreiadlerhorsten per Livestream beobachtet werden. Vor Ankunft der Greifvögel im Frühjahr installierte Dr. Uģis Bergmanis, der lettische Schreiadler-Experte und Kooperationspartner der Deutschen Wildtier Stiftung, wie jedes Jahr an mehreren Horsten je eine versteckte Kamera. Neben dem Schreiadlerküken liegt noch ein Ei im Adlerhorst – ein zweites Küken wird also hoffentlich bald schlüpfen. Dann beginnt wahrscheinlich unmittelbar das Phänomen des Kainismus, das heißt, der Erstgeborene wird den Jüngeren so lange malträtieren, bis dieser stirbt. In seltenen Fällen überleben beide Jungvögel: „Ein möglicher Grund für die Ausnahme könnte besonders viel Nahrung im Brutlebensraum sein, sodass beide Küken ausreichend Futter bekommen“, vermutet Dr. Andreas Kinser, stellvertretender Leiter Natur und Artenschutz der Deutschen Wildtier Stiftung.
Die versteckte Kamera in gut zehn Metern Höhe dokumentiert, wie viele Mäuse, Maulwürfe, Reptilien und Amphibien die Altadler an den Horst schaffen, um den hungrigen Schnabel ihres Kükens zu stopfen. Denn bei dem Projekt rund um die Webcam geht es nicht nur um schöne Bilder, sondern auch um handfeste Forschung: Die Übertragung ist Teil einer Untersuchung, bei der die Nahrungszusammensetzung für Schreiadlerküken untersucht wird. In diesem Jahr wurde ein erster Bericht dieser Studie veröffentlicht: Demnach wurden über 3.000 Beutetiere dokumentiert, die etwa je zur Hälfte kleine Nagetieren oder Amphibien waren. Wie zuvor bereits vermutet, brachte der männliche Altadler mit 66 Prozent den größten Anteil an der Beute zum Nest – und das im Durchschnitt sieben Mal am Tag.
Die Studie von Uģis Bergmanis & Ainārs Auniņš finden Sie hier:
Studie
Die Deutsche Wildtier Stiftung hat seit 2010 gemeinsam mit Land- und Forstwirten eine schreiadlerfreundliche Landbewirtschaftung entwickelt, die den Lebensraum des bedrohten Vogels sichert und optimiert. „Denn jedes einzelne Küken ist für den Erhalt der Art enorm wichtig“, sagt der Schreiadler-Experte der Deutschen Wildtier Stiftung. Unseren Ratgeber zum praktischen Schreiadlerschutz finden Sie hier. Darüber hinaus hat die Stiftung Nahrungsflächen im mecklenburgischen Schreiadlerrevier Bredenfelde (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) erworben: „Ziel ist es hier, die Zahl der Kleinsäuger wie etwa die der Mäuse als Beutetiere für den Schreiadler zu erhöhen und seine Jagdmöglichkeiten in der Nähe des Brutwaldes zu verbessern“, erklärt Kinser. Auch auf den NNE-Flächen der Deutschen Wildtier Stiftung findet der in Deutschland so selten gewordene Pommernadler wieder Lebensraum.