Alpen-Gaudi setzt zunehmend Bergwild unter Stress

Der Freizeitspass erobert mittlerweile Regionen, die früher streng ausgewiesene Wildschutzgebiete waren

Gamswild - Spielball einer verfehlten Forstpolitik in Bayern
Skandal im Schonbezirk, Gaudi statt Gams? Fest steht: Die Alpen werden immer mehr zum Freizeitpark. Sportliche Aktivitäten gehen immer öfter bis in die Nacht. Das setzt Gämsen, aber auch Rehe, den Rothirsch oder seltene Vogelarten wie das Birkhuhn gehörig unter Druck.
Pistenspaß bei Nacht - für Wildtiere kein Vergnügen!

Ruhe auf dem Berg, sobald es dämmert? Das war einmal

Wenn der Berg ruft, gibt's für viele Wintersportler kein Halten mehr. Immer lauter und immer länger dauert die Ski-, Snowboard-, oder Rodelgaudi an den Hängen. Statt zum üblichen „Après Ski“ am Nachmittag geht es heute häufig bis Mitternacht zum Flutlicht-Rennen, Fackel-Schneeschuhwandern oder Mondschein-Rodeln. Punschausschank und Bässe aus den Boxen inklusive. Ankerlift und Skischaukel erleichtern den Weg zur Alpen-Gaudi. Sind die Partygäste weg, kommen auch schon bald Pistenraupen und Schneekanonen zum Einsatz. Ja, die Nacht ist kurz ist in den Bergen ...

Attraktionen locken Touristen - zum Nachteil der Wildtiere

Die Alpen verkommen mehr und mehr zum Freizeitpark. Noch bis zum Ende der Ski-Saison zu Ostern jagt ein Event das andere. Und die Wildtiere? „Gämsen und Co. sind die großen Verlierer der Pisten-Gaudi“, kritisiert Dr. Andreas Kinser, Forst- und Jagdexperte der Deutschen Wildtier Stiftung.

Der Touristenansturm auf die Bergwelt steigt

Partys kosten Kraft - vor allem die der Gämsen

Natur- und Artenschützer sehen eine große Gefahr in dem immer größeren Besucherdruck auf die Bergwelt. „Der nicht enden wollende Ski-Zirkus versetzt das Wild in den Bergen in Dauerstress“, sagt Andreas Kinser. „Im Bergwald sollte es Ruhebereiche geben, die ausschließlich den Wildtieren vorbehalten sind. In allen anderen Gebieten sollte wenigstens die Nacht den Wildtieren gehören.“ Stattdessen sind die Alpen vielerorts zum Vergnügungsviertel für Wintersportler verkommen: Gämsen, Rothirsche und Rehe sowie seltene Vogelarten wie das Birkhuhn stehen einfach nicht auf der Pistenparty-Liste. Wildtiere finden bei dem Trubel keine Zeit für dringend notwendige Erholungsphasen. „Der Eventstress zerrt an wichtigen Reserven, die sie bei Kälte und Nahrungsknappheit im Winter dringend brauchen“, sagt Kinser. „Die ständige Flucht vor Licht, Lärm und Menschen kostet wertvolle Energie und kann sogar den Erschöpfungstod bedeuten.“

Skandal im Schonbezirk: Wenn Wildtiere unter einer verfehlten Forstpolitik leiden

Erst wird saniert. Mit Steuergeld. Dann abgeholzt

Die Alpengaudi erobert mittlerweile Regionen, die früher streng ausgewiesene Wildschutzgebiete waren. „Gerade die Gämse ist Opfer und Spielball einer verfehlten bayerischen Forstpolitik“, sagt Kinser. Zwei Beispiele: Am Riedberger Horn im Allgäu, unterhalb der zukünftigen Skischaukel, wurde jahrzehntelang der Schutzwald mit Steuergeldern saniert. Jetzt ist der Wald, für dessen Gedeihen sogar die Schonzeit auf Gämsen vollständig aufgehoben wurde, abgeholzt. Am Geigelstein im Chiemgau werden Wanderer dagegen gebeten, ein Wild-Schongebiet nicht zu betreten. Das ist gut. Aber gleichzeitig hat die Forstpolitik im Gebiet die Jagd ganzjährig erlaubt: Vor störenden Wanderern ist die Gams sicher - vor Schüssen nicht.

Gams mit schwarzen Hintergrund

Gämse

Die Gämse (Rupicapra rupicapra) ist etwas größer als ein Reh und lebt bei uns nur in Bayern und Baden-Württemberg. Sie ist an das Leben im Hochgebirge angepasst.

Zum Steckbrief
Gämsen auf einer Felskuppe

Gämse – der Konflikt in Bayern

Bei uns in Deutschland finden Gämsen vor allem in Bayern einen geeigneten Lebensraum: felsige Regionen für den Sommer und Wälder für den Winter. Doch sie werden im südlichsten Bundesland gerade in öffentlichen Wäldern sehr intensiv gejagt.

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