Achtung, Wildwechsel!

Für Rehe sind Sommernächte Hochzeitsnächte

© imageBROKER.com / Willi Rolfes
Im Sommer lässt das sprichwörtlich scheue Reh alle Hemmungen fallen: Während der Paarungszeit zwischen Mitte Juli und Mitte August ist der Fortpflanzungstrieb größer als die Furcht vor Gefahren. Selbst stark befahrene Straßen werden von ihnen dann ignoriert. Autofahrer sollten also in dieser Zeit besonders vorsichtig fahren, um Unfälle zu vermeiden – zu ihrem eigenen Schutz und zum Wohl der Tiere.

Rehe leben scheu und zurückgezogen. Vor allem in den Dämmerungsstunden werden sie aktiv und gehen auf Nahrungssuche. In der Paarungszeit, die Mitte Juli beginnt, ist alles anders. Denn dann ist Rehbrunft – und beim kleinsten hirschartigen Wildtier in Deutschland fallen alle Hemmungen: Dank der Hormone gibt es kein Halten mehr. Sonst still und leise als Einzelgänger unterwegs, wird bis in den August hinein Krach gemacht: Der Bock verfolgt das Weibchen manchmal stundenlang. Er keucht – denn Rennen ist anstrengend – und sie fiept in hoher Stimmlage zurück.

„Es kann sein, dass Reh-Paare am helllichten Tag aus dem Unterholz hervorstürmen und dabei vom Menschen keinerlei Notiz nehmen“, sagt Dr. Andreas Kinser, stellvertretender Leiter Natur- und Artenschutz der Deutschen Wildtier Stiftung. „Denn wie es bei Verliebten üblich ist: Wer auf Wolke sieben schwebt, nimmt seine Umwelt kaum noch war – und das ist hochgefährlich: „Gerade in der sommerlichen Rehbrunft kommt es häufig zu Unfällen“, sagt Kinser. Viele Auto- und Motorradfahrer unterschätzen die Gefahr, die von den 15 bis 30 Kilogramm schweren Rehen ausgeht. „Bei einem Zusammenprall mit einem Auto, das rund 100 Stundenkilometer fährt, liegt das Auftreffgewicht bei über einer halben Tonne“, sagt der Wildtierexperte. „Das ist lebensgefährlich für Mensch und Tier.“

Alle Rehe werden übrigens im Sommer gezeugt. Ziemlich genau 67 Tage nach der Geburt ihrer Kitze ist das weibliche Reh wieder empfängnisbereit; doch das für kaum mehr als 48 Stunden. Ist die Hochzeit vollzogen, macht sich der Bock auf die Suche nach der nächsten paarungsbereiten Reh-Dame in seinem Revier. Im Körper der Weibchen spielt sich dagegen jetzt ein kleines Wunder ab: Die Eizelle, die im Juli oder August befruchtet wurde und sich danach in der Gebärmutter eingenistet hat, teilt sich bis etwa zum Jahreswechsel nicht. Erst nach dieser sogenannten Keimruhe beginnt die normale embryonale Entwicklung. Durch diesen Trick der Natur werden die Rehkitze dann mitten im Wonnemonat Mai geboren.

Rehkitz liegend

Reh

Kein anderes Wildtier sehen wir so häufig wie das Reh (Capreolus capreolus). Ricke und Rehbock, Schmalreh und Kitz kommen bei uns flächendeckend bis an den Stadtrand vor.

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