Todesfalle Straßenverkehr
Wildunfallpunkte durch Querungshilfen entschärfen
Überall dort, wo Straßen die Lebensräume der Wildkatze durchziehen, kommt es regelmäßig zu Kollisionen mit Fahrzeugen. Diese enden in der Regel tödlich für die Katze. Überwiegend verunfallen Wildkatzen auf Autobahnen, Schnell- und Bundesstraßen. Während der Dunkelheit, der Hauptaktivitätsphase der Wildkatze, weisen sie ein generell höheres Verkehrsaufkommen auf als kleinere Straßen. Aber auch auf Land- und Kreisstraßen werden Wildkatzen immer wieder von Fahrzeugen erfasst.
Wie beeinflusst der Straßenverkehr die Populationen?
Wie viele Wildkatzen ihr Leben im Straßenverkehr verlieren ist unklar. Es wird von einer hohen Dunkelziffer nicht registrierter Totfunde ausgegangen. Versteckt in der Straßenböschung gelegen – oder von Aasfressern bereits „entsorgt“ – werden sie vermutlich häufig übersehen. Schätzungen gehen je nach Populationsdichte und vorkommenden Straßentypen von 5 % bis 20 % der im jeweiligen Jahr ansässigen Individuen aus.
Überwiegend werden junge Wildkatzen im Alter von 6-12 Monaten auf ihrer Suche nach eigenen Streifgebieten überfahren. Leider verunfallen aber auch sehr viele erwachsene Weibchen im fortpflanzungsfähigen Alter. Ihr Nachwuchs fehlt beim Erhalt bestehender und beim Aufbau neuer Populationen. Ihr Verlust ist vor allem im Hinblick auf die hohe Sterblichkeit zu betrachten, der Wildkatzenjunge bereits in den ersten vier Lebensmonaten unterliegen: Nur mit Glück überlebt einer von meist vier geborenen Welpen.
Eine Schnellstraße im Lebensraum einer Wildkatze ist eine besonders hohe Gefahrenquelle.
Totfunde erfassen
Um den Einfluss der Straßenverkehrsmortalität auf die Population bewerten zu können und um Unfallschwerpunkte zu ermitteln, ist in den Bundesländern mit Wildkatzenvorkommen eine organisierte Erfassung von Totfunden unverzichtbar. Sie muss neben einer möglichst genauen Verortung von Unfallopfern auch eine umfangreiche Untersuchung der Totfunde beinhalten. Nur durch Geschlechts- und Altersbestimmungen werden Daten zur Betroffenheit der unterschiedlichen Populationsteile gewonnen. Darüber hinaus liefert die Totfundanalyse wichtige Daten zum Gesundheitszustand der Population, zur Nahrungszusammensetzung und zum Reproduktionsstatus.
Auch werden nur durch die Untersuchung von Totfunden Individuen wiedererkannt, die im Rahmen von Forschungsprojekten individuell markiert wurden – zum Beispiel durch einen Transponder-Chip. Diese „Wiederfänge“ zuvor markierter Tiere liefern sehr wertvolle Daten zur Ermittlung und Bewertung von Gefährdungen. Die Meldung von Totfunden ist ein wichtiger Baustein im Monitoring der geschützten Art. Umweltbehörden, Forstämter, und ortsansässige Jäger sind die richtigen Ansprechpartner. Für einige Bundesländer oder Regionen sind im Internet weitere Kontaktdaten für die Meldung von Wildkatzen-Totfunden zu finden.
Die wissenschaftliche Untersuchung von Wildkatzen-Totfunden liefert wichtige Daten zur Gefährdung und Ökologie.
Von unseren sendermarkierten Wildkatzen in Rheinland-Pfalz wurde bereits mindestens eine überfahren. Besonders tragisch dabei: erst drei Wochen zuvor waren die Jungen der weiblichen Katze HW-F08 geboren worden – sie hatten ohne die Mutter keine Überlebens-Chance. Weitere Wildkatzen mit Senderhalsband werden bereits seit den Sommermonaten vermisst – ihr Schicksal bleibt unbekannt. Ein Ausfall der Technik, ein Abwandern in eine andere Region aber eben auch eine Kollision mit einem Auto, der auch das Senderhalsband nicht standhielt, sind möglich.
Auf der Karte zeigen wir Lokalisationen von Katze HW-F08 im Haardtwald und den Fundpunkt ihres Kadavers. Die Straße war ein regulärer Bestandteil ihres Streifegebietes, sie wurde regelmäßig überquert. Was dazu führte, dass sie schließlich doch von einem Fahrzeug erfasst wurde, bleibt unbekannt.
Kater SW-M14 überlebt Kollision mit Auto
Anfang November 2017 wurde bei Heinzenberg (Landkreis Bad Kreuznach) ein Wildkatzenkater bewusstlos am Straßenrand gefunden und in ein Tierheim gebracht. Schnell fand er den Weg zu Tierärztin Dr. Fancesca Saxler aus Idar-Oberstein, die bereits Erfahrungen mit der Behandlung von Wildkatzen hat. Eine routinemäßige Suche nach einem Transponder-Chip, der meist zur Wiedererkennung von Haustieren verwendet wird, war erfolgreich: Es handelte sich um Kater SW-M14, der im Februar im Projektgebiet Soonwald in ca. 10 Kilometer Entfernung gefangen und mit einem Chip markiert wurde. Besendert wurde er damals beim Fang nicht, da bereits ausreichend männliche Wildkatzen mit einem GPS-Sender ausgestattet waren.
SW-M14 erlitt bei dem Zusammenprall mit einem Fahrzeug ein Schädel-Hirn-Trauma und eine Fraktur – also den Bruch – eines Unterkiefers. Über zwei Wochen lang pflegte das Team der Tierarztpraxis Dr. Saxler ihren Schützling bis sich sein Zustand stabilisiert hatte und er zur weiteren Genese in ein Freigehege der Auffangstation TierArt e.V. in Maßweiler (Landkreis Südwestpfalz) umzog. Der Betriebsleiter der Einrichtung Florian Eiserlo und sein Team versorgten den Wildkatzenkater und beobachteten den erfolgreichen Heilungsprozess noch über weitere sieben Wochen. Inzwischen ist Kater SW-M14 gesund und längst wieder zurück in den Soonwald gebracht worden. Nur durch die aufmerksamen Finder des verletzten Katers, die Unterstützung von Tierarztpraxis Dr. Saxler und der Wildtierauffangstation TierArt e.V. hat dieses Straßenverkehrsopfer überlebt. Eine Ausnahme, denn die Versorgung verletzter Wildtiere hängt ausschließlich vom Engagement freiwilliger Helfer ab.
Unfallschwerpunkte identifizieren
Häufig werden Wildkatzen an immer denselben Stellen überfahren. Diese Unfallschwerpunkte kommen in Waldgebieten dort zustande, wo Wildkatzen sich an den Duftmarkierungen ihrer Artgenossen orientieren und somit häufig dieselben Wege nutzen.
Andererseits ergeben sich solche Gefahren-Schwerpunkte in der offenen Kulturlandschaft dort, wo versteckreiche Strukturen, wie Hecken und Gehölze, eine Straße kreuzen. Wildkatzen sind streng an solche deckungsbietenden Lebensraumelemente gebunden, und verlassen diese kaum.
Neben einer genauen Registrierung von Verkehrsopfern können Unfallschwerpunkte auch anhand von Landschafts-Modellierungen ermittelt werden. In diesen Modellen werden von Wildkatzen bevorzugte Wege auf Grundlage ihrer Lebensraum-Vorlieben vorausgesagt. Telemetriedaten und Totfunde zeigen, dass diese Voraussagen sehr zuverlässig sind.
Die Karte zeigt einen Unfallschwerpunkt entlang einer Bundesstraße und die Planung einer Querungshilfe mit wildkatzensicherer Zäunung. An jedem der weißen Punkte verunfallte eine Wildkatze.
Querungshilfen
Zum Teil können Gefahrenpunkte, an denen besonders viele Wildkatzen dem Straßenverkehr zum Opfer fallen, erfolgreich entschärft werden. Von solchen Maßnahmen profitieren immer auch eine Reihe weiterer Arten.
Wildkatzen und andere Wildtiere nutzen für den Wechsel der Straßenseite gerne vorhandene Unterführungen, wie Weg- oder Gewässerdurchlässe. An Wildunfallschwerpunkten, in deren unmittelbarer Nähe solche Querungsmöglichkeiten fehlen, können Wildkatzen mit Hilfe von Gehölzpflanzungen zur nächst gelegenen Unterführung geleitet werden. Ein zusätzlicher Zaun an der Straßenböschung, der von Katzen nicht überklettert werden kann, sorgt dafür, dass die Tiere nicht an falscher Stelle versuchen, die Straßenseite zu wechseln.
In der Regel werden Unterführungen eher von Wildkatzen genutzt als Überführungen. Brückenbauwerke über größeren Straßen hinweg werden von Wildkatzen nur dann angenommen, wenn sie von ausreichender Dimension und möglichst gegen Lärm und Sicht abgeschirmt sind. In der Regel erfüllen dies nur spezielle Wildbrücken.
Das Bild zeigt eine wildkatzenfreundliche Weg-Unterführung einer Autobahn im Südharz. Lebensraumsrukturen wie natürliche Gehölze haben eine wichtige Leitfunktion.
Wo keine geeigneten Unterführungen vorhanden sind, muss geprüft werden ob es technisch möglich ist, Querungshilfen nachträglich in die Straße zu integrieren. Verbunden mit einer speziellen Zäunung wurde so ein Unfallschwerpunkt an einer Bundesstraße im Ostharz (Landkreis Harz) erfolgreich beseitigt.
In einem schmalen Waldgebiet im Verlauf der Bundesstraße wurden immer wieder Wildkatzen überfahren. Die zwischen 1990 und 2009 registrierten Totfunde konzentrierten sich an zwei Punkten des 750 m langen Straßenabschnittes innerhalb des Waldes. Im Jahr 2011 wurden im Auftrag der Landesstraßenbaubehörde Sachsen-Anhalt an beiden Stellen Beton-Kastenprofile mit einer Breite von 1,9 m und einer Höhe von 1,5 m als Querungshilfe in die Straße eingebaut. Der Erfolg dieser Maßnahme wurde durch das Ausbleiben weiterer Wildkatzenverkehrsopfer und durch zwei Erfolgskontrollen bestätigt. Automatische Kameras (Fotofallen) erfassten über Monate hinweg Wildtiere innerhalb der Bauwerke. Im Ergebnis wurden die Tunnel am häufigsten von Wildkatzen, Baummardern und Füchsen zur Querung der Bundesstraße genutzt. Regelmäßig wurden aber auch Dachse, Iltisse und Rehe und in einem Fall ein Luchs beim sicheren Wechsel der Straßenseiten fotografiert.
Die Bilder zeigen eine für Wildkatzen errichtete Querungshilfe im Landkreis Harz. Der Tunnel mit Sichtschutz und speziellem Zaun wird gern von Wildkatzen und vielen anderen Arten zum Wechsel der Straßenseiten genutzt.
Wie die beiden Wildkatzentunnel im Ostharz angenommen werden, und welche weiteren Arten sie gerade nutzen, zeigen wir hier in Kürze.
Unser Projekt Wildkatzen - auf der Spur
In unserem Forschungsprojekt in Rheinland-Pfalz untersuchen wir, welche Auswirkung Lärmquellen und andere menschliche Einflüsse auf das Verhalten von Wildkatzen haben – ob sie beeinflusste Areale meiden oder weiterhin nutzen. Ziel ist es, herauszufinden, ob solche Faktoren die Qualität von Wildkatzenlebensräumen mindern. Längst steht dagegen fest, welche vom Menschen ausgehende Gefährdung Wildkatzenpopulationen am stärksten beeinflusst: der Straßenverkehr. Er sorgt durch den Tod vieler Individuen für eine unmittelbare Beeinträchtigung der Populationen.