Lebensraum Totholz

So recycelt die Natur

Totholz - Foto: Piclease / Hans Glader
Was für die einen das Bild des „gepflegten und aufgeräumten“ Waldes stört, verbinden viele andere mit „aufregend wilden Urwäldern“. Tatsächlich sind aber viele kleine und große Waldbewohner essenziell auf das Vorkommen von Alt- und Totholz in ihrem Lebensraum angewiesen. Für sie kann das Fehlen dieses elementaren Biotopelements lebensbedrohlich sein.

Natürliche Arbeitsteilung – wie Totholz zersetzt wird

Alterstod, vor allem aber auch Massenvermehrungen von Insekten, Katastrophenereignisse wie Sturmwürfe und Schneebrüche, Blitzschlag oder Waldbrände hinterlassen viele abgestorbene Bäume. Das Ökosystem Wald behandelt diese aber keineswegs wie Abfall – ganz im Gegenteil: Alles wird wiederverwertet.

Interessant ist dabei zunächst die Rolle der holzaufschließenden Tierarten wie den bohrenden Insekten oder auch den Spechten. Sie verschaffen vielen holzzersetzenden Pilzen und Bakterien Zugang in das bis dahin harte Material. Eine gesunde Baumrinde ist für Pilze und Insekten häufig eine unüberwindbare Barriere. Sie benötigen eine Eintrittspforte.

Holzaufschliessende Tiere

Nun spielen Pilze eine entscheidende Rolle, da sie in der Lage sind, Lignin und Zellulose, die Bestandteile des Holzes, abzubauen und aufzuschließen. Wenn die Myzelien, die Pilzfäden verschiedener holzbesiedelnder Pilze, den Stamm komplett durchwuchern, wird dieser immer weicher und morscher. Das Totholz erreicht einen zunehmenden Zersetzungsgrad, wie der/die Wissenschaftler(in) sagt. Das kann je nach Baumart und Umgebungsverhältnissen schneller oder langsamer geschehen. Die Buche beispielsweise wird vom Zunderschwamm sehr rasch zersetzt, mitunter in wenigen Jahren. Bei der Eiche hingegen kann dieser Vorgang Jahrzehnte dauern, da das Holz der Eiche dichter und widerstandsfähiger ist. Liegt der Holzstamm bereits am Boden und hat mit dem feuchten Bodensubstrat Kontakt, verläuft die Zersetzung noch schneller. Dies liegt unter anderem auch daran, dass beim liegenden Holz andere Artengemeinschaften an der Zersetzung mitwirken als als beim noch stehenden oder bereits hohl liegenden Totholz.

Warum Totholz für Wald und Tiere wichtig ist

Kurz nachdem ein Baum abgestorben ist, befinden sich unter seiner Borke, dem Bast und im Splintholz noch eine Menge energiereiche, leicht abbaubare, organische Verbindungen. Stärke, Zucker, Vitamine, Eiweiße, Aminosäuren, Wuchsstoffe und Hemizellulose sind eine attraktive Nahrungsquelle für die sogenannten „Erstbesiedler“, darunter viele Käferarten wie Bock- und Borkenkäfer, aber auch Holzwespen und andere im und vom Holz lebende Arten. Bohrmehl, Kot, Häutungsreste und tote Insekten reichern das Holz mit Nährstoffen an und locken weitere Holzbesiedler, die sogenannten Xylobionten, an.

Xylobionten

Während die Zersetzung nach und nach weiter fortschreitet, dient das Totholz einer großen Zahl von Tieren und Pflanzen als ideales Nist-, Entwicklungs-, Nahrungs- oder Überwinterungshabitat. Außerdem bietet es Schutz vor Fressfeinden. Ohne Totholz sind Fledermäuse, Käuze, Siebenschläfer und Co. oft wohnungslos. Viele dieser Totholzliebhaber stehen auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. Da sie in ihrer Lebensweise auf bestimmte Zerfalls- und Zersetzungsphasen des Holzes angewiesen sind, stellt das Fehlen von vielseitigen Totholzstrukturen in ihrem Habitat ein großes Problem dar.

Totholz im Zerfallsprozess

Aus Alt wird Neu

Sobald vom Holz nur noch Mulm, Kot und Reste der Vorbesiedler übrig sind, folgen typische Organismen der Bodenfauna wie Milben, Würmer und Asseln. Sie zerkleinern die einzelnen Partikel so lange, bis Pilze und Bakterien die endgültige Zersetzung abschließen. Während des Zersetzungsprozesses werden die lange Zeit im Holz gebundenen Nährstoffe mineralisiert und können im neu entstandenen homogenen Gemisch aus Mulm und Unterboden von wachsenden Pflanzen erneut aufgenommen werden. Der Humus, der nach abgeschlossener Zersetzung des Totholzes entstanden ist, bildet ein nährstoffreiches Keimbett für die Naturverjüngung vieler Bäume und bestimmt somit auch die zukünftigen Waldstrukturen mit.

Totholz als Klima-Faktor

Zahlreiche Studien haben belegt, dass Naturwälder mit einem hohen Totholzanteil Kohlenstoffsenken darstellen, da sie über einen langen Zeitraum weitaus mehr atmosphärischen Kohlenstoff binden als Wirtschaftswälder. Außerdem hemmt Totholz dank seines hohen Wassergehaltes das Austrocknen des Bodens, kann Temperaturschwankungen und Feuchtigkeitsverhältnisse ausgleichen und wirkt somit positiv auf das Mikroklima und den Charakter des Waldes.

Die dunkle Oberfläche und geringe Wärmeleitfähigkeit lassen Totholz zeitweise eine höhere Temperatur aufweisen als seine Umgebung. Umgekehrt kann es in heißen Sommern durch seine Wasserspeicherfähigkeit sein Umfeld vor Überhitzug schützen.

In Gewässern führt das Vorkommen von Totholz zu kleinräumigen Veränderungen des Abflussverhaltens sowie der Strömungsmuster und erhöht die Lebensraum- und Artenvielfalt, weil sich Verstecke und Unterschlupfmöglichkeiten für große und kleine Wasserbewohner bilden.
Die Sauerstoffanreicherungen verbessern die Wasserqualität und sorgen für mehr Leben in den einzelnen Gewässerabschnitten.

Totholz im Wasser

Bäume auf Stelzen

Ein ganz besonderes Phänomen in unseren Bergwäldern stellt die sogenannten „Rannen“- oder „Kadaververjüngung“ dar. Die Samen der Waldbäume fallen auf starke, umgefallene Bäume, deren Stämme sich schon weiter zersetzt haben. Die erhöhte Position des Keimbettes und das darunter liegende nährstoffreiche und feuchte Substrat des Holzmulmes bieten in den schneereichen und kalten Regionen oft erst die Voraussetzung dafür, dass die Keimlinge durchkommen. In der Folge wachsen – wie auf einer Perlenschnur gereiht – neue Bäume auf dem alten Stamm heran und entwickeln ihr Wurzelwerk in und um diesen herum. Ist der alte Stamm ganz zersetzt, stehen die neuen Bäume nicht nur schnurgerade in einer Reihe, sondern häufig auch auf „Wurzel-Stelzen“.

Ist Totholz gleich Totholz?

Unter Totholz versteht man im Allgemeinen „absterbendes und totes Holz eines Baumes, bis seine Baum- und Holzstrukturen durch die Zersetzung nicht mehr erkennbar sind“. Dabei können einzelne Baumteile absterben und sich zersetzen, obwohl der Rest des Baumes trotzdem noch lebt und funktionsfähige Blätter trägt. So unterscheidet man Totholz nicht nur nach der Baumart, seiner Dicke und Todesursache, sondern auch nach seiner Lage am Baum, seiner Ausrichtung und seinem Feuchtigkeits- und Zersetzungszustand.

Starker Totholz-Stamm

Je älter, dicker und reicher an abgestorbenen Ästen, Stammteilen und Höhlen ein Baum ist, desto wertvoller ist er für den Natur- und Artenschutz. Circa 20 Prozent der Waldfauna leben direkt oder indirekt von Totholz, darunter Pilze, Flechten, Moose, Farne, Insekten, Reptilien, Vögel und auch Säugetiere, wie die höhlenbewohnenden Marder und Bilche – alle finden im Totholz eine für sie ideale Habitatnische.

Für die einzelnen Artengruppen ist Totholz aber nicht gleich Totholz. Sie haben sich im Laufe der Evolution nicht nur auf bestimmte Baumarten, sondern auch auf die Stärke des Holzes, den Zersetzungsgrad, die Lichtexposition und Feuchte des Stammabschnittes spezialisiert. Während die einen in der Rinde leben, bevorzugen andere vor allem Kernholz, Baummulm oder Bast.

Lebensraum Totholz

Neben zahlreichen Flechten- und Moosarten sind je nach Holzart und Stadium des Zerfallsprozesses auch viele Pilzarten stark auf Tot- und Altholzstrukturen angewiesen. Insekten spielen dabei die „tragende“ Rolle, denn sie verteilen Pilzsporen auf und im Holzkörper. Die Pilze wiederum sind Nahrungsquelle und Teillebensraum für die Insekten. Während circa 1500 Großpilzarten und rund 1350 Käferarten an der Zersetzung und Wiederverwertung eines Holzstammes beteiligt sind, profitieren sie also auch gegenseitig voneinander.

Vor allem für die Gruppe der Käfer mit ihren vielen bedrohten Arten ist Totholz sehr wichtig: rund 25 Prozent aller in Deutschland lebenden Käferarten sind auf Holz verschiedener Zerfallsstadien angewiesen, rund die Hälfte der totholzbewohnenden Käfer werden als bedroht eingestuft.

Wer lebt wo?

  • Hirschkäfer (Lucanus cervus): Seine Larven leben an morschen Wurzeln alter Eichen, Ulmen und Obstbäumen.
  • Bockkäferarten (Cerambycidae), wie der große Eichenbock (Cerambyx cerdo)
  • Balkenschröter (Dorcus parallelopipedus): Seine Larven leben vor allem im Mulm von Buchen und Eichen. Die erwachsenen Tiere ernähren sich von Baumsäften.
  • Larven des Moschusbockes (Aromia moschata)
  • verschiedene Prachtkäfer- (Buprestidae) und Runzelkäferlarven (Rhysodidae)
  • Hausbock (Hylotrupes bajulus): Er hat in trockenem Fichtenholz seinen natürlichen Lebensraum.
  • Larven des Fichtenbocks (Monochamus sutor) und des Gemeinen Fichtensplintbocks (Tetropium castaneum): Diese bevorzugen das Kambium von Fichten und Kiefern und verpuppen sich nach einiger Zeit in den Ästen oder dem Stamm.
  • Mulmbock (Ergates faber): Dieser Käfer bevorzugt Baumstümpfe von Kiefern, ist in höheren Lagen aber auch an Fichten und Tannen zu entdecken.

Insekten im Totholz

Einige Käferarten sind allerdings auch weniger spezialisiert: so z. B. die Scheinbockkäfer (Oedemeridae) oder die Buntkäfer (Cleridae). Deren Larven befinden sich in terrestrischem Totholz, aber auch in Treibgut und in verholzenden Teilen krautiger Pflanzen. Larven des Nashornkäfers (Oryctes nasicornis) entwickeln sich sogar in Holzabfällen oder Komposthaufen. Moderkäfer (Latridiidae) bevorzugen vor allem schimmelndes Holz, da sie sich von Schimmelpilzen ernähren.
Ebenso wie für viele Marienkäfer (Coccinellidae) stellt Totholz für Königinnen der Hornissenarten (Vespa grabo germana) ihr Winterquartier dar. Auch die Holzbiene legt Brutzellen in trockenem, sonnenexponiertem und leicht morschem Totholz an und überwintert dort.

Hummeln, Wildbienen und Hornissen leben in meist aufrecht stehenden Baumstümpfen. Die Echten Wespen (Vespidae) nutzen Holz zum Nestbau und hängen die fertigen „Meisterwerke“ in trockene Hohlräume alter Bäume. So ist auch der überwiegende Teil der 1000 Wespen- und Bienenarten auf Alt- und Totholzstrukturen angewiesen.

Andere Zweiflügler wie Falter, Dungmücken, Haarmücken und Gnitzen platzieren ihre Larvalentwicklung in modrigem Totholz. Tummelfliegen nutzen Totholz als Lebensraum und ernähren sich von Baumpilzen, während Holzfliegen Larven und Würmer jagen.

Falter am Totholz

Amphibien und Reptilien im Totholz

Ob im Frühling als Nistplatz, im Sommer als Tagesversteck, als Platz für ein Sonnenbad oder zum Überwintern - liegendes Totholz in Gewässernähe ist auch für Amphibien und Reptilien wie die Erdkröte, Waldeidechse, Blindschleiche oder Kreuzotter sehr attraktiv.

Vögel im Totholz

Wer im Frühjahr aufmerksam durch den Wald spaziert, hört ihn schon von weitem, wenn er seine Bruthöhlen im Holz zimmert: den Schwarzspecht. Viele sekundäre Höhlen- und Halbhöhlenbrüter, wie die seltene Hohltaube, profitieren von einem hohen Specht- und Faulhöhlenangebot in Totholzbeständen und nutzen die Baumhöhlen des Schwarzspechts als Nistplatz, sobald dieser sie verlassen hat.

  • Schwarzspecht: Er gilt als Zimmermann des Waldes und ist von besonderer Bedeutung für die Erhaltung der Biodiversität in Waldökosystemen. Er bevorzugt astfreie, gerade Schäfte alter Bäume.
  • Hohltaube: Sie ist die häufigste Höhlenbrüterin in der verlassenen Höhle eines Schwarzspechts.
  • Eulenarten, wie der Raufußkauz, Sperlingskauz, Waldkauz
  • Dohle
Eule im Totholz
  • Mittelspecht
  • Blaumeise
  • Kohlmeise
  • Star
  • Kleiber
  • Gartenbaumläufer
  • Rotkehlchen
Specht vor Baumhöhle

Einen überragenden Stellenwert hat Totholz auch für die meisten unserer Fledermausarten: In seinen Spaltenhöhlen findet man vor allem die Zwergfledermaus, die Bechsteinfledermaus, den Großen Abendsegler, die Bartfledermaus und das Braune Langohr. Sie nutzen das Totholz sowohl als Sommer- als auch als Winterquartier. Aber auch Spitzmäuse, Siebenschläfer, Waschbären, Eichhörnchen und Baummarder fühlen sich in den Strukturen des Totholzes sehr wohl.

Totholz früher, heute und in Zukunft

Die Totholzvorräte in unseren Wäldern haben sich im Laufe der Geschichte sehr stark verändert. Vor der großen Rodungsperiode im Mittelalter kann man von flächendeckend hohem Totholzvorkommen ausgehen. Man schätzt heute den mittleren Anteil von Totholz an der gesamten Holzbiomasse eines Urwaldes in Mitteleuropa auf circa 10-30 Prozent.

Hingegen finden wir in unseren heutigen Wirtschaftswäldern, wie Untersuchungen zeigen, nur noch ein bis drei Prozent. Dies dürfte jedoch immer noch mehr sein als zu den Zeiten, als Holz das wichtigste Brennstoffmaterial für die Gesellschaft darstellte und gewissermaßen jeder Stock gesammelt und aus dem Wald getragen wurde.

Der ganz überwiegende Anteil unserer mitteleuropäischen Wälder wird schon seit langem forstwirtschaftlich genutzt, dient also schwerpunktmäßig ökonomischen Interessen und der Erzeugung wertvollen, gesunden Holzes. Somit wird dort den natürlichen Alterungsprozessen und dem natürlichen Alterstod der Bäume durch Entnahme vorweggegriffen.

Will man also heute aus Gründen des Waldnaturschutzes wieder flächendeckend Totholzstrukturen unterschiedlicher Beschaffenheit und vor allem unterschiedlicher Zersetzungsgrade nachhaltig entstehen lassen, geht das nur über ein gezieltes "Totholz-Management".

Dieses Ziel lässt sich vor allem durch zwei Strategien umsetzten: In unseren bewirtschafteten Wäldern sollte es zu einem Kompromiss zwischen naturnaher Waldnutzung und der flächendeckenden Integration von Totholz-erhaltenden sowie -fördernden Maßnahmen kommen. In ausgewählten forstnutzungsfreien Wäldern soll hingegen der Flächen-Vollschutz zum Tragen kommen.

Unaufgeräumter Wald

Seit dem Jahr 2005 existiert mit dem Projekt „Nationales Naturerbe“ eine Initiative des Bundes, die dieses Vorhaben unterstützt und befördert. Rund 156.000 Hektar Wald, Moor und Offenland im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland wurden nach der Wiedervereinigung von der Privatisierung ausgenommen und in die Hände von Naturschutzakteuren gegeben. Von diesen Flächen sind circa 70 Prozent Waldlebensräume und auf diesen soll möglichst schnell die forstwirtschaftliche Nutzung eingestellt werden.

Die Deutsche Wildtier Stiftung verfolgt bereits auf über der Hälfte ihrer NNE-Flächen das Motto „Natur Natur sein lassen“, trägt somit zum Erhalt und zur Förderung des wertvollen Totholzes bei und leistet einen wichtigen Beitrag zum Natur- und Artenschutz.

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    Wildtierland - Landschaften in guten Händen

    In unserer Broschüre haben wir ausführliche Beschreibungen unserer Naturschutzflächen für Sie zusammengestellt.

    Autor: Deutsche Wildtier Stiftung

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    Nationales Naturerbe

    In diesem Faltblatt werden für Sie unsere 11 Nationalen Naturerbe Flächen in Mecklenburg-Vorpommern kurz vorgestellt.

    Autor: Deutsche Wildtier Stiftung

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Foto: Michael Tetzlaff

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Moore, Auen, Sümpfe

Feuchtgebiete oder auch Feuchtbiotope liegen in Übergangsbereichen zwischen trockenen und dauerhaft feuchten Ökosystemen. Der Begriff umfasst verschiedene, vom Wasser abhängige, Lebensräume wie Aue, Moor, Bruchwald, Sumpf oder Feuchtwiese.

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