Vogelberingung in Klepelshagen
Michael Tetzlaffs Tagebuch
Pünktlich zum einsetzenden Frühjahrszug der Kleinvögel endet die mittlerweile neunte Fangsaison im Rahmen des Monitoring-Programms „Rast- und Wintervögel in Klepelshagen“. Mit dem 2012 gestarteten speziellen Fang- und Beringungsprogramm untersuchen wir alljährlich die hiesigen Wintervogelgesellschaften; deren Häufigkeiten, Bestandstrends, Altersstrukturen, Zuggeschwindigkeiten, Zugwege, Migrationen, Geschlechterverhältnisse und Rastdauer. Insgesamt wurden 1.904 Vögel aus 29 Arten gefangen, das ist der zweithöchste Wert der neunjährigen Projekthistorie. Mit 568 Individuen nimmt die Kohlmeise den Spitzenplatz ein. Der Grünfink folgt mit 490 gefangenen Vögeln.
Während der Beringung entstandene Fotos verschiedener heimischer Vögel. HINWEIS: Durch Anklicken der Pfeile werden die Artbezeichnungen der Vögel sichtbar. - Fotos: Michael Tetzlaff
Meisen auf der Flucht vor dem Winter
Auch in dieser Wintersaison konnten wir feststellen, dass ein Großteil der Meisen aus dem Baltikum einen Zugkorridor über Klepelshagen hinweg nutzt. Hier kommt es manchmal zu einem wahren Masseneinflug osteuropäischer Meisen, wie Wiederfänge aus Russland, Estland, Litauen und Lettland zeigen. Wie 2017/2018 konnte auch in der wieder sehr kalten Saison 2020/21 diese Winterflucht von tausenden Kohl- und Blaumeisen aus dem Baltikum registriert werden. Ebenso auffallend zogen ungewöhnlich viele Kernbeißer aus dem hohen Norden in unsere Gefilde ein. Nahrungsknappheit in den Brutgebieten ist meist der Grund für den vermehrten Einflug. Die guten Baummastperioden der vergangenen Jahre bescherten genannten Arten reichlich Winternahrung und die Vögel verzichteten auf weite anstrengende Zugwege. Im vergangenen Winter trugen jedoch in vielen Regionen des Baltikums die Bäume kaum Mast und die flüchtenden Vögel aus dem hohen Norden bescherten den Beringern in Klepelshagen somit reichlich Arbeit.
Mittlerweile konnten 22 Fremdringfunde von fünf Arten aus sieben verschiedenen Ländern registriert werden. Den bisher weitesten Weg legte mit 1.079 Kilometern ein Erlenzeisig in nur 43 Tagen nach Norwegen zurück. Noch schneller „reiste“ eine Blaumeise von Klepelshagen zurück ins Brutgebiet nach Litauen. Für die 523 Kilometer nach Ventes Raga brauchte der kleine Vogel nur sechs Tage.
Eine Vielzahl an Wintervögeln wurde mittlerweile gefangen, vermessen und beringt - Foto: Michael Tetzlaff
Starker Rückgang beim Feldsperling
Ungewöhnlich gute Winterrastbestände konnten vom Stieglitz, Wintergoldhähnchen und Grünfink registriert werden. Von sonst typischen Wintergästen wie etwa Bergfink, Wacholderdrossel und Erlenzeisig waren jedoch nur wenige Individuen anzutreffen. Das dritte Jahr in Folge gingen die Fangzahlen beim Feldsperling drastisch zurück. Die vergangene Fangsaison bescherte leider das bisher schlechteste Ergebnis und bestätigt den allgemein landesweiten Negativtrend. Lebensraumverluste und schlechte Brutergebnisse haben vielerorts zum Bestandseinbruch geführt. Der verwandte Haussperling wurde hingegen in Rekordzahlen gefangen und beringt. Seit Bestehen des Projektes sind noch nie so viele Haussperlinge in die Netze geflogen wie 2020/21. Klepelshagen bietet im Gegensatz zu den meisten Großstädten für den Spatzen offenbar beste Bedingungen.
Einige Vögel bekommen bunte Ringe
Um über die Jahre die Vergleichbarkeit der Fangzahlen zu gewährleisten, wird immer mit gleichbleibender Netzlänge und an gleich vielen Fangtagen gearbeitet. Seit dem Start des Fangprojektes 2012 konnten insgesamt 11.832 Individuen in 40 Arten vermessen und mit Metallringen der Vogelwarte Hiddensee individuell beringt werden. Zusätzlich zu den gängigen Metallringen bekommen Kernbeißer und Wacholderdrosseln spezielle Farbringe, die aus der Entfernung mit einem Spektiv, Fernglas oder einer Kamera abgelesen werden können. Der schwarze dreistellige Code auf weißem Untergrund ist gut lesbar und ermöglicht Wiederfunde, ohne dass die Vögel gefangen werden müssen.
Halten Sie doch im nächsten Winter an Ihrem Futterhaus im Garten auch mal Ausschau nach Vögeln mit „bunten Füßen“. Denn jede Ablesung und jeder Wiederfund ist ein weiteres wichtiges Puzzlestück in der Vogelforschung, bringt wertvolle Erkenntnisse und kann somit zum Schutz der Arten beitragen.
Foto oben (Teaser): © Michael Tetzlaff – Werkzeug und Ringe für die Beringung von Vögeln