Wenn der Hahn zum Helden wird
Deutsche Wildtier Stiftung: Im Juli kommen die Rebhuhnküken auf die Welt. Die jungen Hühnervögel leben gefährlich
Dabei spornen sich die Küken gegenseitig mit munterem Gepiepe an. Ist der kollektive Schlupf geglückt, geht es sogleich ans Futtern. Auf der Küken-Speisekarte stehen ausschließlich Insekten. Vater Rebhahn nimmt einen Teil der jungen Brut unter seine Fittiche. Denn über ein Dutzend Küken zu bespaßen; das schafft auch die bestorganisierteste Glucke nicht!
Die sommerliche Feldflur, die langen Tage, die warme Witterung – ein Paradies für muntere Küken. Aber die Sommer-Idylle trügt. Statt sich den Bauch nun vollzuschlagen, wie es sich gehört, ist in der monotonen Agrarlandschaft allzu häufig nichts Nahrhaftes mehr zu finden. Proteinhaltige Insektenkost – Fehlanzeige! Ist doch einmal eine Wanze oder ein fetter Käfer ergattert, rufen die Altvögel ihren hungrigen Nachwuchs mit einem lockenden Glucksen heran.
Und droht nicht der Hungertod, so lauern tierische Feinde. „Von oben kommen Krähe und Falke, um die Küken zu schlagen, auf dem Boden sind es Fuchs und Wiesel, die Beute machen wollen“, so Dr. Andreas Kinser, stellvertretender Leiter Natur und Artenschutz der Deutschen Wildtier Stiftung. Wenn da nicht Vater Rebhuhn wäre! Denn greift der Falke an, wird er zum Helden. „Naht ein Räuber, stößt Vater Hahn einen Warnlaut aus“, sagt Eckhard Gottschalk von der Universität Göttingen, Projektleiter des EU-weiten Rebhuhn-Rettungsprojekts PARTRIDGE (siehe Infobox unten). „Die Küken flitzen zunächst blitzschnell auseinander, um dann zu erstarren.“ Unerschrocken attackiert der tapfere Hahn Krähen, Elstern oder sogar Turmfalken, die seinen Küken an den Kragen wollen. Gottschalk: „Beim Habicht, Sperber oder Mäusebussard huscht er blitzschnell in die Deckung. Kommt ein Fuchs, versucht der Hahn ihn abzulenken, indem er sich flügellahm stellt und so versucht, den Räuber zu narren.“
Dramatisch: Seit den 80er Jahren ist die Rebhuhn-Population europaweit um 94 Prozent geschrumpft. Das Projekt PARTRIDGE hat Schutzmaßnahmen entwickelt, um die selten gewordenen Hühnervögel zu retten. „Hier erhalten die Rebhühner Flächen von Landwirten, die so gestaltet sind, dass sich Vater Hahn bei der Verteidigung seiner Küken auch mal eine Pause gönnen kann“, sagt Gottschalk. Auf den Flächen sind genug Stauden für die Deckung vorhanden und direkt daneben finden die Hühnervögel insektenreiche Wildpflanzen zweier besonderer Blühmischungen. So kommen die langen Tage des Hochsommers den PARTRIDGE-Küken zugute: Sie haben viel Zeit zu fressen und wachsen gut behütet aus der gefährlichen Kinderzeit heraus.
Infobox PARTRIDGE
Infobox
Das internationale Projekt PARTRIDGE soll demonstrieren, dass es möglich ist, die Biodiversität in der Agrarlandschaft um 30 % zu erhöhen. Der Gradmesser für den Erfolg des Projektes ist die Entwicklung der Rebhuhnpopulation. In den untersuchten Landschaften werden dafür jeweils etwa sieben Prozent der Flächen im Sinne der Wildtiere aufgewertet. Neben dem „Game and Wildlife Conservation Trust“ als Projektträger des Dach-Projektes und den Demonstrationsregionen in England und Schottland beteiligen sich Institutionen aus Belgien, den Niederlanden und Deutschland an dem Projekt. PARTRIDGE wird über das EU-Interreg Nordseeprogramm gefördert. In Deutschland wird die Abteilung Naturschutzbiologie der Georg-August-Universität Göttingen von der Deutschen Wildtier Stiftung und dem Deutschen Jagdverband unterstützt. Das Projekt erhielt nun eine Fördermittelverlängerung bis 2023.