Wildbienen und die Honigbiene
Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Wildbienen und die Honigbiene gehören in der zoologischen Systematik beide zu der Teilordnung der Stechimmen (Aculeata). Auch Hummeln sind Wildbienen. Der Begriff der „Wildbienen“ ist keine wissenschaftliche Kategorie, sondern umgangssprachlich. Er hilft, die wild lebenden Bienenarten von ihrer in Menschenobhut lebenden Schwester zu unterscheiden. Die Honigbiene ist die einzige Bienenart, die von Menschen als Nutztier gepflegt wird. Keine ihrer wilden Verwandten lebt in so großen Völkern und produziert so viel Honig. Die meisten Wildbienen bilden keine Gemeinschaften. Andere, wie etwa die Hummeln, leben in Sozialverbänden mit einer Königin – ähnlich wie die Honigbiene. Doch sind Hummelstaaten viel kleiner. In Deutschland gibt es etwa 40 Hummelarten.
WILDBIENEN KENNENLERNEN
In Deutschland leben 585 Wildbienenarten. Die meisten davon besiedeln trockenwarme und offene Lebensräume. Um sich dort fortpflanzen zu können, benötigen sie eine große Strukturvielfalt für Nistmöglichkeiten (z. B. Hecken, Altholz, offene Rohbodenflächen) und ein reichhaltiges Nahrungsangebot (also eine Vielzahl unterschiedlichster Pflanzen, die von Frühling bis in den Herbst hinein blühen).
Fotos: Christian Schmid-Egger / DeWiSt
Einzelgänger
Die meisten Wildbienenarten leben solitär und nicht als Volk. Dabei legt ein einzelnes Weibchen ein Nest an und versorgt ihren Nachwuchs mit Nektar und Pollen. Die Bienenlarve entwickelt sich allein und schlüpft meist erst im Folgejahr. Lediglich die Hummeln und einige Furchenbienenarten besitzen eine soziale Lebensweise mit einer Königin und Arbeiterinnen. Ihre Völker werden jedoch stets nur ein Jahr alt.
Blütenbesucher
Wildbienen benötigen neben ihren spezifischen Nistgelegenheiten vor allem Blüten, von deren Nektar und Pollen sie sich ernähren. Sie sind sehr wärmeliebend und kommen vor allem in offenen blütenreichen Lebensräumen vor. Zahlreiche Wildbienenarten besiedeln auch Städte und Dörfer, weil sie dort oft geeignetere Lebensbedingungen vorfinden als in der heutigen Agrarlandschaft. Viele Wildbienenarten lassen sich sehr leicht ansiedeln und sogar auf einem begrünten Balkon beobachten.
Fotos: Christian Schmid-Egger / DeWiSt
Nahrungsspezialisten
Viele Wildbienenarten sammeln Pollen nur an ganz bestimmten Pflanzen. Ohne diese spezifischen Pollenquellen können sie nicht überleben. Manche sind auf eine Pflanzenfamilie spezialisiert, andere nutzen lediglich eine Gattung oder im Extremfall nur eine einzige Pflanzenart. Die wichtigsten Pflanzengruppen für Wildbienen sind Korbblütler, Kreuzblütler, Schmetterlingsblütler, Lippenblütler, Glockenblumengewächse, Doldenblütler und Weidengewächse.
Nistspezialisten
Auch zum Nisten benötigen Wildbienen ganz unterschiedliche Strukturen. Die meisten graben eine Höhle in den Boden und sind dazu je nach Art auf Sandboden, auf offenen Lehmboden oder auf Steilwände und Böschungen angewiesen. Andere Arten nisten über der Erde. Sie nutzen alte Käferbohrlöcher in abgestorbenen Ästen und Bäumen, hohle Pflanzenstängel oder Mauerritzen. Diese Arten lassen sich gut in Wildbienenhotels ansiedeln. Wieder andere Arten nisten in leeren Schneckenhäusern oder mörteln ihre Nester aus Baumharz oder Lehm selbst.
Fotos: Christoph Künast / DeWiSt
Hoch bedroht
Die meisten Wildbienenarten in Deutschland werden immer seltener. Etwa die Hälfte der Arten steht auf der Roten Liste der gefährden Tierarten Deutschlands, einige sind bereits ausgestorben. Wilde Bienen brauchen reich strukturierte Lebensräume und können nur dort leben, wo ihre vielfältigen Ansprüche an Nahrung und Nistplatz erfüllt werden. Doch solche Lebensräume verschwinden, weil die Agrarlandschaft immer eintöniger wird. Streuobstwiesen, artenreiche Waldränder, Wegböschungen, Brachen, Wegsäume und extensiv genutzte Wiesen gehen vielerorts verloren.
DIE HONIGBIENE KENNENLERNEN
Die Honigbiene hingegen ist eine vollständig domestizierte Art mit mehrjähriger sozialer Lebensweise im Bienenstock. Imker haben sie im Lauf der Jahrhunderte immer weiter gezüchtet, um beispielsweise den Honigertrag zu steigern oder die Aggressivität zu senken. Ihre wilde Stammform ist dadurch in Europa vermutlich ausgestorben. Alle deutschen Imker pflegen die Westliche Honigbiene (Apis mellifera), von der es wiederum verschiedene Unterarten gibt – wie zum Beispiel die Dunkle Europäische Biene (Apis mellifera mellifera) oder die Kärntner Biene (Apis mellifera carnica). Wie die Wildbienen gehört die Honigbiene zu der Familie der Echten Bienen (Apidae).
Mehrjährige soziale Lebensweise
Honigbienen leben – im Gegensatz zu den Wildbienen – in Staaten mit bis zu 50.000 Tieren. Die Aufgaben sind klar verteilt: Die Königin legt pro Tag bis zu 2.000 Eier. Die Arbeiterinnen sammeln Nektar und Pollen und schützen das Nest. Die Drohnen (männliche Bienen) stehen für die Fortpflanzung bereit.
Blütenbesucher
Honigbienen benötigen wie die Wildbienen Blüten, von deren Nektar und Pollen sie sich ernähren. Dabei bevorzugen sie sogenannte Massentrachtpflanzen. Das sind zum Beispiel Rapsfelder oder Lindenblüten, also Blütenpflanzen, die in großer Menge blühen. Wie ihre wilden Verwandten sind sie sehr wärmeliebend und kommen vor allem in offenen blütenreichen Lebensräumen vor.
Foto: Eine Honigbiene an den Blüten der Johannisbeere. Auch für Wildbienen eine wichtige Nahrungsquelle.
Nahrungsgeneralist
Auch Honigbienen brauchen Pollen und Nektar. Jedoch sind sie – im Gegensatz zu vielen Wildbienenarten – nicht auf bestimmte Blühpflanzen spezialisiert. Pro Jahr kann ein Honigbienenvolk über 50 Kilogramm Honig produzieren. Für ein Kilogramm Honig müssen die Arbeiterinnen drei bis fünf Millionen Blüten besuchen. Honig entsteht erst dadurch, dass die Arbeiterinnen den Nektar mit körpereigenen Stoffen vermischen und in die Bienenwaben einlagern. Er dient als Nahrung für die Brut und als Futterreserve im Winter.
Nistspezialist
Die Honigbiene nistet natürlicherweise in alten Baumhöhlen. Dort findet der Bienenstaat ideale klimatische Bedingungen und ist gut vor Fressfeinden und Honigdieben geschützt. In der imkerlichen Bienenhaltung werden die Tiere jedoch in sogenannten „Beuten“ gehalten, die sich modular erweitern lassen, um die Honigernte zu erleichtern.
Nicht bedroht
Die Honigbiene ist nach Rind und Schwein das drittwichtigste Nutztier des Menschen. Wenn vom Bienensterben gesprochen wird, werden sehr häufig die Honigbienen als Beispiel herangezogen. Das ist jedoch nicht richtig. Wie die Wildbienen leiden die Honigbienen natürlich auch unter dem Verlust blütenreicher Landschaften und Strukturen. Jedoch wird die Honigbiene intensiv durch den Imker gepflegt, so dass die Honigbiene zu keiner Zeit in ihrem Bestand bedroht ist.
KONKURRENZ UM DIE GLEICHEN RESSOURCEN?
Die Nahrungskonkurrenz zwischen der Honigbiene und den verschiedenen Wildbienenarten ist ein aktuell intensiv diskutiertes Thema im Naturschutz. Befeuert wird die Debatte vor allem durch die stark zunehmende private Imkerei in Städten. Die Problematik der Nahrungskonkurrenz ergibt sich aus den folgenden Punkten:
Die Problematik der Nahrungskonkurrenz
- Wildbienen und Honigbienen nutzen dieselbe Nahrungsressource, nämlich Pollen und Nektar von Blütenpflanzen.
- Honigbienen sind mit Wildbienenarten verwandt. Wenn sie dieselben Blüten anfliegen, können sie Krankheitserreger übertragen.
- Honigbienen sind sehr konkurrenzstark und verdrängen nachweislich selbst große Wildbienenarten von den Blüten.
- In Lebensräumen mit knappen Nahrungsressourcen ist es somit sehr wahrscheinlich, dass hohe Dichten an Honigbienen die Wildbienenpopulationen schädigen und deren Bruterfolg mindern.
- Die Situation knapper Ressourcen besteht überall dort, wo Wildbienenpopulationen in kleinflächigen Lebensräumen mit eingeschränktem Angebot an Blütenpflanzen vorkommen. Dies trifft auf viele kleinflächige Naturschutzgebiete, kleinflächige Agrarhabitate, trockenwarme Sonderstandorte (der bevorzugte Lebensraum vieler Wildbienenarten) sowie städtische Biotope zu.
- Im späteren Jahresverlauf wird eine Überlappung bei der Ressourcennutzung von Honig- und Wildbienen wahrscheinlicher. Nach Abblühen der Massentrachten wenden sich die Honigbienen oft verstärkt kargeren Trachten zu, die bis dahin vor allem von Wildbienen angeflogen wurden.
FORSCHUNGSBEDARF
Obwohl es zahlreiche Indizien und Metastudien zum Thema Nahrungskonkurrenz gibt, sind direkte Studien, die diese Konkurrenz belegen, eher rar gesät. Vor allem fehlen genaue Untersuchungen zum quantitativen Nahrungsbedarf von Wildbienen. Die Deutsche Wildtier Stiftung ist sich dieser Defizite sehr wohl bewusst. Dennoch gehen wir aufgrund zahlreicher Indizien und Daten davon aus, dass die Konkurrenz besteht und einen ernst zu nehmenden Gefährdungsfaktor für Wildbienen in bestimmten Lebensräumen darstellen kann. Die Deutsche Wildtier Stiftung hat sich dem Schutz wild lebender Tiere verpflichtet und stellt das Wohl von Wildbienen an erster Stelle. Dabei ist uns Folgendes sehr wichtig:
- Die Imkerei stellt auch in Deutschland ein wichtiges Kulturgut dar und bringt zudem viele Menschen mit Natur und damit auch mit ihrem Schutz in Verbindung.
- Die Deutsche Wildtier Stiftung möchte die Imkerei nicht verhindern, sondern auf wissenschaftlicher Grundlage auf einen Konflikt aufmerksam machen und einen Beitrag zum Erarbeiten von Lösungen leisten.
- Die Deutsche Wildtier Stiftung sieht in der professionellen Imkerei wichtige Verbündete bei dem Ziel, die Vielfalt und Anzahl von Blütenpflanzen in Stadtbiotopen sowie in der Agrarlandschaft – hier auch durch Änderungen der agrarpolitischen Rahmenbedingungen zu erhöhen.
Mehr Infos auf unserer Projekt-Website
Die Projekt-Website Wildbiene.org ist unsere Plattform rund um den Wildbienenschutz. Hier halten wir Sie über den Fortschritt unserer Projekte in Hamburg, Berlin und München auf dem Laufenden. Weitere Tipps und Informationen stehen hier für Sie bereit.
Zur Website wildbiene.org