Wir verpacken das Wissen in einer Geschichte

In der Sendung „Löwenzahn“ lebt Fritz Fuchs mit seinem Hund Keks in einem Bauwagen. Naturthemen sind ein Schwerpunkt der beliebten Kinderserie. Ein Gespräch mit Hauptdarsteller Guido Hammesfahr über Leben und Arbeiten im Grünen und über Möglichkeiten und Grenzen der Naturbildung im Fernsehen.

Wie würden Sie Ihr Verhältnis zur Natur beschreiben?

Ich bin ein richtiges Landei, aufgewachsen in einem kleinen, ländlichen Dorf mit 400 Einwohnern im Westerwald. Wir hatten den Wald fast unmittelbar vor unserem Grundstück. Insofern habe ich da eine intensive Verbindung zur Natur gehabt. Vor über 20 Jahren fing ich dann mit der Theaterausbildung an. Beim Theaterbetrieb ist die Arbeitsumgebung natürlich ganz anders. Zu jener Zeit war mein Leben nicht besonders naturnah. Doch seit ich bei Löwenzahn bin, bin ich, wie Sie ja sehen können, immer draußen, immer im Grünen. Das ist manchmal auch lästig, wenn es kalt oder regnerisch ist, aber meistens haben wir Glück mit dem Wetter. Wenn man über zehn Jahre lang bei seiner Arbeit ständig draußen ist, verändert das einen. Das prägt. Man bekommt die Jahreszeiten sehr deutlich mit, man bekommt die Vögel mit. Wir wissen, je nachdem, wo wir drehen, ob es dort zum Beispiel einen Kuckuck gibt. Wenn wir einen Nachtdreh haben, dann hören wir eine Nachtigall, die sitzt meistens da vorne am Grundstück irgendwo. So hat man einen sehr unmittelbaren Bezug zu seiner Umwelt und das macht großen Spaß.

Guido Hammesfahr - Darsteller des  Fritz Fuchs aus der Sendung Löwenzahn

Wenn man über zehn Jahre lang bei seiner Arbeit ständig draußen ist, verändert das einen.

Guido Hammesfahr

Ihre Rolle „Fritz Fuchs“ hat ja den Bauwagen von seinem und auch Ihrem Vorgänger Peter Lustig übernommen. Wir sitzen gerade darin. Ich finde ihn sehr gemütlich. Könnten Sie sich vorstellen, in so einem Bauwagen zu leben?

Das könnte ich mir sehr gut vorstellen. Ich bin passionierter Segler und auf meinem Segelboot habe ich weniger Komfort als hier. Jede freie Minute, die ich habe, bin ich auf dem Boot und somit auch draußen in der Natur. Würde man diesen Bauwagen auf ein Boot setzen, dann wäre das mein ideales Zuhause.

Also ist das Segeln für Sie nicht nur Sport, sondern auch ein Stück Naturerfahrung.

Ja, ich fahre ab und zu auch Regatten mit, aber im Grunde bin ich ein ausgesprochener Fahrtensegler, das heißt, ich erfahre verschiedene Gegenden und eben auch die Natur und dabei ist man unmittelbar den Elementen ausgesetzt. Das macht für mich den Reiz aus.

Der Bauwagen hier, der in einem großen Garten kurz hinter dem Stadtrand von Berlin steht, sieht ja so ganz und gar nicht nach Schule aus, dennoch vermitteln Sie von hieraus Wissen an Kinder. Nach welchem Prinzip?

Das ist das große Alleinstellungsmerkmal von Löwenzahn, dass wir nicht einfach nur die wissenschaftlichen oder naturwissenschaftlichen Phänomene erklären, sondern dass wir immer einen Handlungsstrang haben, also eine komplette Geschichte, in der Fritz Fuchs vor ein Problem gestellt wird und sehen muss, wie er damit klarkommt. Hier sind wir gerade im Set mit vielen Tierbabys. Der Fritz nimmt sich dreier Entenküken an und dann kommen immer mehr Tierbabys dazu und er will die erst einmal über den Berg bringen, damit sie später wieder ausgesetzt werden können und dann selbständig sind. Und so haben wir anhand einer Geschichte die Möglichkeit zu vermitteln, wie verschiedene Tiere aufwachsen. Was sind Nesthocker, was sind Nestflüchter und wie sieht das überhaupt aus? Ich fungiere nicht als Moderator, sondern bin tatsächlich auch als Schauspieler gefragt. Das hat eine große Nachhaltigkeit, denn man hat herausgefunden, dass man sich Wissen, das in einer Geschichte daherkommt, viel besser merken kann. Mir macht diese Aufgabe auch deshalb Spaß, weil ich jedes Mal etwas dazu lerne.

Geht es bei Löwenzahn nur darum, Wissen zu vermitteln?

Nein, ein ganz wichtiger Teil ist die Emotionalität, also eine Verbindung zur Natur aufzubauen. Am Ende der Sendung versuche ich darauf hinzuweisen, dass es viele Wunder in der Natur zu erleben gibt, die man anfassen, riechen, sehen und hören kann. Ich weiß, dass viele Kinder iPads oder Smartphones interessanter finden, gerade deshalb ist es ein wesentlicher pädagogischer Bestandteil von Löwenzahn, die Kinder zu bewegen, sich mal selbst anzugucken, was da draußen vor unserer Nase passiert.

Über Guido Hammesfahr

Die Sendung „Löwenzahn“ ist seit 1981 im ZDF zu sehen. 2006 löste Guido Hammesfahr seinen Vorgänger Peter Lustig als Hauptdarsteller ab. Hammesfahr wurde 1968 im rheinland-pfälzischen Dierdorf geboren. Er machte eine Ausbildung als Schauspieler und arbeitete zunächst am Theater, dann im Fernsehen unter anderem für den „Tatort“ und im Comedy-Bereich. „Löwenzahn“ spricht Kinder im Grund- und Unterstufenalter bis etwa zur sechsten Klasse an. Dreh und Angelpunkt der Sendung ist der berühmte Bauwagen, in dem auch schon Peter Lustig lebte.

Vor allem die älteren Zuschauer verbinden Löwenzahn immer noch mit Peter Lustig, der die Sendung bis 2005 sehr stark geprägt hat, obwohl Sie das nun ja auch schon ganze elf Jahre machen. Wie unterscheiden sich die Konzepte?

Wir gehen ein bisschen mehr in die Geschichten rein, das liegt natürlich auch an meiner Herkunft aus dem Schauspiel. Der Peter hat mehr erklärt. Wir erklären zwar auch, aber wir erzählen eher anhand der Geschichten, die immer auch einen Spannungsbogen haben. Ich glaube, insgesamt hat sich im Fernsehen das Erzähltempo etwas erhöht. Die Schnitte sind schneller heute. Der Peter hatte viele Sachen statisch vor dem Bauwagen stehen, wir sind mitten in der Handlung drin, immer in Bewegung, das macht es dynamisch und spannend. Ansonsten sind wir Löwenzahn treu geblieben. Wir haben die Sendung nicht neu erfunden.

Naturthemen bilden einen Schwerpunkt von Löwenzahn. Allein in den letzten Monaten gab es Sendungen zu Mais, Kaninchen, Amphibien, Bienen, Luchsen, Igeln und so weiter. Warum ist das eigentlich so? Liegt das einfach daran, dass Sie hier mit dem Bauwagen sowieso draußen sind und sich das anbietet?

Wir haben drei Schwerpunkte: Natur, Umwelt und Technik. Und, es stimmt, wir sind tatsächlich ständig in der Natur, das wollen wir auch bewusst zeigen. Ich finde das ganz wichtig, weil wir uns als Gesellschaft zunehmend von der Natur entfremden. Umso wichtiger ist es zu zeigen, was wir hier alles direkt vor unsrer Haustür an wunderschöner Natur haben. Wir beschäftigen uns zwar nicht ausschließlich mit der heimischen Tierwelt, aber natürlich bildet die einen Schwerpunkt. Man muss hier ja nur einmal einen großen Blick in die Runde werfen und schon sieht man: Wir sind umgeben von Natur.

Bauwagen der Sendung Löwenzahn

Mein Eindruck ist, dass bei Löwenzahn die Naturthemen tatsächlich viel mehr um das Erleben, Entdecken, Erforschen kreisen und es weniger klassische Umweltthemen wie Stromsparen oder Mülltrennen gibt. Stimmt der Eindruck?

Ich glaube, wenn man die Natur entdeckt und ihre Schönheit, ihre Vielfältigkeit zu schätzen lernt, dann muss man gar nicht mehr mit einem pädagogischen Zeigefinger drohen und sagen, was man tun und lassen sollte. Das entwickelt sich dann von alleine. Wir wollen nicht mit der Holzhammermethode ständig betonen, was alles falsch läuft. Ich bin vielmehr davon überzeugt, dass sich durch das Entdecken und die Wertschätzung der Natur von ganz allein ein bewusstes Verhalten einstellt.

In der fiktiven Welt von Bärstadt gibt es ja auch den Herren Kluthe vom Ordnungsamt und den Nachbarn Paschulke. Die beiden möchten immer alles begradigen und sich bloß nicht schmutzig machen. Wozu dienen diese Figuren?

Wenn ich einen Gegenpart habe, einen Antagonisten, dann ist es leichter für mich, meine Position klar zu machen. Wenn also jemand vom Ordnungsamt alles mit dem Maßband vermisst und es ihm ausschließlich um Paragraphen geht, dann wird schneller deutlich, dass Fritz Fuchs ein anderes Lebenskonzept hat, und dass man vielleicht auch etwas entspannter mit diesem oder jenem Thema umgehen kann. Ich glaube, eine entspannte Gesellschaft kann man nicht früh genug fördern.

Wer entwickelt denn die pädagogischen Schwerpunkte der Sendung? Sie sind ja Schauspieler, kein Biologe und auch kein Pädagoge. Ich sehe, hier in Ihrem berühmten Bauwagen liegt der ganze Tisch voller aufgeschlagener wissenschaftlicher Naturbücher. Es scheint, dass auch während der Dreharbeiten genau drauf geachtet wird, dass alles sachlich richtig dargestellt wird. Gibt es Experten in Ihrem Team oder in der Redaktion?

Die Redaktion achtet sehr darauf, dass das alles fundiert ist. Die Bücher werden geprüft und wir müssen auch darauf achten, dass das im Bild alles stimmt. Da haben wir einen hohen Anspruch. Wir haben ja auch ein sehr kritisches Publikum und wollen nichts Falsches erzählen. Ich selbst hatte Biologie als Leistungskurs und wäre ich nicht in Richtung Schauspiel gegangen, hätte ich mir durchaus vorstellen können, in den Bereich Biologie zu gehen. So trifft sich das ganz gut, dass ich wieder da bin, wo ich eigentlich mit dem Abitur aufgehört habe.

Also Sie lesen auch selbst in diesen Büchern nach?

Sicher. Sowohl in den Büchern, die wir hier am Set haben, als auch in meiner Bibliothek bei mir zu Hause. Nach elf Jahren hat man natürlich schon einiges gelernt, aber es kommen auch immer wieder neue Sachen dazu, so dass mir eigentlich nie langweilig wird.

Wie bereitet sich die Redaktion auf ein Thema vor?

Gewisse Grundlagen sind ja ausdefiniert. Wir haben eine sogenannte „Heilige Schrift von Löwenzahn“, in der steht, was die Schwerpunkte sind, wie wir etwas präsentieren. Das ist wichtig für die Autoren, damit sie von Anfang an wissen, in welche Richtung das gehen soll. Die wissenschaftliche Betreuung ist ganz wichtig, gerade auch bei den Erklärstücken, den Dokumentationen. Die werden gesondert gedreht und auch das wird wissenschaftlich betreut. Insofern sichern wir uns da ab und man kann sich in der Regel drauf verlassen, dass das, was wir erzählen, kein Quatsch ist.

Apropos Tierbabys oder überhaupt Tiere: Die kommen bei Kindern ja immer sehr gut an. Ist das vielleicht der ganz banale Grund, warum Sie so oft Tierthemen behandeln? Geht es um Quote?

Nein. Ich hab ja einen treuen Gefährten, der heimliche Hauptdarsteller der Sendung: mein Hund Keks. Mit ihm haben wir also ohnehin schon kontinuierlich eine tierische Begleitung. Wenn wir andere Tiere in der Sendung haben, ist das jeweils den Themen geschuldet.

Am Ende der Sendung hat Ihr Vorgänger Peter Lustig immer gesagt: „Und ihr könnt jetzt abschalten. “ Ihr Schlussspruch lautet: „Ich weiß ja nicht, was ihr macht, aber Keks und ich drehen noch eine Runde.“ Manchmal weisen Sie aber zum Schluss auch noch auf die Website hin, auf der es auch Spiele und Videos gibt, das ist ja eher das Gegenteil von Abschalten. Ist diese Aufforderung von Peter Lustig, die Glotze auszumachen, nicht mehr zeitgemäß?

Wir haben als Schluss diesen Spaziergang mit Keks, als Anregung, das fand ich schöner, als eine Aufforderung oder ein Verbot auszusprechen. Bei manchen Sendungen gibt es zum Abspann noch so einen Einspieler, in dem ich auf diese Internetseiten verweise. Natürlich hat sich alles verändert und wir sind mit den Sendungen heute eben auch online zu erreichen. Die Sehgewohnheiten haben sich auch verändert. Aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis schauen die Kinder die Sendung eigentlich am häufigsten abends auf dem Tablet. Wir haben zwar feste Sendezeiten, die auch sehr gut angenommen werden, aber das Publikum möchte die Sendungen auch gerne mitnehmen können und deshalb kommt der Hinweis auf die ZDFtivi Mediathek, damit die Kinder oder die Eltern wissen, wo sie was finden.

Keks, der Hund aus der Sendung Löwenzahn

In Wald- und Naturkindergärten sind die Kinder fast die ganze Zeit draußen, viele dieser Kindergärten haben nur einen Bauwagen als feste Unterkunft. Was meinen Sie, könnte es sein, dass dieser Bauwagen von Löwenzahn so manchem als Inspiration gedient hat?

Das kann ich mir schon vorstellen. Es wäre doch schön, wenn wir ein wenig Vorbildcharakter hätten. Das wäre doch eine tolle Sache.

Was halten Sie von dem Konzept, dass Kinder während ihrer Kindergartenzeit hauptsächlich draußen sind, dass sie also mit einem Höchstmaß an Naturerfahrung aufwachsen?

Ich find’s spitze, da kann man doch nur von träumen! Ich denke, dass die Gesellschaft sich immer mehr von der Natur entfernt und bedauere, dass Naturthemen nur sehr isoliert betrachtet werden. Da ist häufig gar kein persönlicher Bezug vorhanden. Deshalb bin ich so froh, hier draußen sein zu können. Und wenn das schon früh genug in der Kindheit anfängt, dann hat man, glaube ich, ganz automatisch eine größere Wertschätzung gegenüber der Natur und weiß anders mit ihr umzugehen.

Wer bekommt eigentlich mehr Fanpost? Fritz Fuchs oder Keks?

Das kann man nicht immer trennen. Wenn ich Post bekomme, dann ist ganz oft eine Frage nach Keks dabei, wie es ihm geht und schöne Grüße. Also ich glaube, da nehmen wir uns nichts. Wir sind auf einer Augenhöhe.

Haben Sie auch eine private Beziehung zu dem Hund oder zu anderen Hunden?

Nein, wir hatten früher einen Familiendackel, das war der einzige Hund in meinem Leben, den ich persönlich hatte. Mein privates Leben sieht natürlich ein bisschen anders aus als das von Fritz Fuchs. Ich habe hier in Berlin eine Wohnung in der Stadt und dann wohne ich auch noch in Köln und bin ansonsten auf dem Segelboot. Ich müsste also, wenn, einen etwas kleineren Hund haben. Ich bin aber auch acht Stunden am Tag am Set und da könnte ich mich nicht um einen Hund kümmern. Aus diesem Grund haben wir hier einen Profihund, den Keks, schon seit einigen Jahren dargestellt von Toschi, der wohnt auf einem großen Hof und hat dort noch sein Rudel von sechs anderen Hunden. Er wird dort sehr gut betreut. Aber, wenn wir uns sehen, dann wird immer erst einmal gekuschelt, wir sind ein gutes Team.

Das Gespräch führte Ivo Bozic.

Vogel

Naturbildung im Gespräch

Wir wollen den Blick für die Bedeutung von Naturbildung schärfen. Unsere Gespräche mit Menschen aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen beleuchten das Thema aus wechselnden Perspektiven.

Zum Projekt
Kinder spielen mit Steckenpferden

Natur tut Kindern einfach gut

Gespräch mit dem Erziehungswissenschaftler Professor Dr. Ulrich Gebhard über Urvertrauen und die kindliche Sehnsucht nach Wildnis.

Zum Artikel
Prof. Dr. Hansjörg Küster

Die Veränderbarkeit begreifen

Prof. Dr. Hansjörg Küster: "Natur ist immer im Wandel und wir Menschen entscheiden mit darüber, wie sie sich entwickelt."

Zum Artikel