Zunächst muss man wissen, wie alles klingt.
Sie haben ja ganz viele Berufe. Sie sind Biologe, Autor, Natur- und Landschaftsführer, aber viele Menschen kennen Sie vor allem als Vogelstimmenimitator. Vielleicht, weil das der ungewöhnlichste Ihrer Berufe ist und weil es die Menschen fasziniert, wie perfekt Sie das können. Wie haben Sie sich diese Fähigkeit angeeignet?
Ich hatte immer Spaß daran, mit meiner Stimme zu arbeiten. Ich habe schon als Kind mit den Hühnern gegackert auf dem Bauernhof meiner Großeltern und meine Stimme über die Jahre ausgebildet wie ein Instrument, mir verschiedenste Techniken der Lauterzeugung selbst beigebracht. Einfach nur so zum Spaß. Und dann habe ich gedacht: Auf diese Weise könnte man diesen oder jenen Vogel oder dieses oder jenes Tier imitieren. Da musste ich natürlich erst einmal die Stimmen kennenlernen. Ich beschäftige mich seit meinem elften Lebensjahr mit der heimischen Vogelwelt und war immer schon an allem interessiert, was kreucht und fleucht. Durch den Bauernhof meiner Großeltern hatte ich schon als kleines Kind engen Kontakt mit Tieren.
Könnte das jeder lernen oder braucht man ein bestimmtes Talent dazu?
In meinen Seminaren versuche ich erst einmal zu vermitteln, wie die Originalstimmen klingen, damit man sie in der Natur erkennt, aber ich biete auch ein Seminar an, bei dem man das Imitieren selbst erlernen kann. Es gibt talentierte Menschen, die das recht schnell lernen. Aber klar, nach einem Wochenende wird man das nicht perfekt können. Ich hab Jahrzehnte gebraucht.
Also theoretisch kann das jeder?
Ja, aber nicht immer in Perfektion, weil gerade für das Pfeifen durch die Zähne, braucht es eine bestimmte Zahnstellung. Aber grundsätzlich kann man alles lernen, gerade, was die Kehltechniken angeht. Wenn mich zum Beispiel eine Gruppe von Berliner Waldpädagogen bucht, kommen sie zu mir an den Schaalsee und ich mache mit ihnen ein kleines Seminar, damit sie das dann auch in ihrer täglichen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen einsetzen können. Nebenbei erkunden wir aber auch die Gegend und hören uns die Originalstimmen an.
Es geht bei Ihnen ja auch darum, dass die Vögel tatsächlich perfekt imitiert werden. Da muss man vermutlich vor allem erst einmal sehr gut zuhören.
Das ist richtig, das ist die Grundvoraussetzung. Zunächst muss man natürlich wissen, wie das alles klingt und was es bedeutet. Das ist auch ganz wichtig, damit man sich entsprechend in das Tier hineinversetzen kann. Also wenn ich eine Feldlerche bin, dann schwebe ich auch über die Felder und hab die ganze sonstige Klangkulisse im Kopf beziehungsweise in der Stimme.
Kann man denn mit den Tieren kommunizieren, wenn man ihre Sprache beherrscht?
Ja, und deshalb muss man auch aufpassen. Wenn man zum Beispiel in den Wald geht und einen Vogelgesang imitiert oder noch schlimmer, weil das lauter ist, von einem Tonträger abspielt, dann kann das verheerende Wirkungen haben.
Inwiefern?
Vogelmännchen sehen zum Beispiel ihr Revier bedroht. Sie hören einen vermeintlichen Konkurrenten, sehen ihn aber nicht, weil auch keiner da ist, und dann werden sie unruhig, suchen und suchen, verschwenden so Zeit und Energie und achten auch nicht mehr auf drohende Gefahren. Man kann sogar einen Vogel aus seinem Revier vertreiben. Und deswegen ist es in ganz vielen Naturschutzgebieten verboten.
Sie haben in Ihrer Kindheit viel Zeit in der Natur verbracht. Wie kam es aber zu der besonderen Beziehung zu Vögeln?
In der sechsten Klasse hatten wir das Thema „Vögel“ in der Schule, da war ich Elf. Unsere Biologielehrerin erzählte dabei, dass es an der Volkshochschule vogelkundliche Wanderungen gebe. Ich interessierte mich zu der Zeit eigentlich gar nicht so wirklich für Vögel. Ich bin dann aber da mitgegangen. Der Mann von der Volkshochschule war ein Hobby-Ornithologe, also kein Wissenschaftler. Der konnte das aber toll vermitteln und hat sich auch sehr um Naturschutz gekümmert, als das alles noch gar nicht so en vogue war. Wir sind dann erst einmal in eine Reiherkolonie gegangen und ich war völlig fasziniert. Das war Liebe auf den ersten Blick. Und dann bin ich dabei geblieben. Mittlerweile mache ich das seit fast 50 Jahren.
Kennen Sie alle heimischen Vögel? Wie viele davon können Sie nachmachen?
Mein Repertoire umfasst insgesamt etwa 200 Tierstimmen, davon 130 Vogelarten - natürlich nicht alle Laute. Ein Vogel hat ja nicht nur den Gesang, er hat ein ganzes Lautrepertoire. Und Vögel sind Meister in der akustischen Kommunikation. Sie haben je nach Gefahrenlage ganz bestimmte Warnsignale. Da kenne ich natürlich nicht alles von allen Arten.
Früher haben sich mehr Menschen für Vögel interessiert als heute. Würden Sie das auch so sehen?
Früher waren die Menschen, auch die normale Bevölkerung, einfach vertraut mit den Vögeln, weil sehr viele Menschen in der Landwirtschaft gearbeitet haben. Oder man hatte Käfigvögel. Man hat ja früher auch viele heimische Arten als Käfigvögel gehalten und Dompfaffen oder Stieglitze gefangen und gegessen. Also die Vögel waren Teil des alltäglichen Lebens, gerade auf dem Lande. Heute gibt es auf dem Land immer weniger Vögel, die ziehen alle in die Stadt. Heute ist das eine Liebhabersache, die auch in Deutschland verbreitet ist, zwar nicht so stark wie in England, aber „Birding“, also Vogelbeobachtung, ist in verschiedenen Ausprägungen auch in Deutschland sehr beliebt.
Sie treten ja auch vor Kindern auf. Lassen die sich noch für die Vögel begeistern? Früher war das ja eine tolle Sache, wenn man so eine Gaumenpfeife oder Vogelstimmenpfeife geschenkt bekam und versucht hat, Vogelstimmen nachzumachen. Würde sich ein Stadtkind heute noch über so ein Geschenk freuen?
Als ich jung war, war der Anteil von Kindern und Jugendlichen bei vogelkundlichen Wanderungen extrem viel höher als heute. Heute kommen nur gelegentlich mal Kinder und Jugendliche mit. Wenn ich vor Kindern auftrete, muss ich natürlich ganz anders vorgehen als bei Erwachsenen. Die Kinder kennen kaum noch Vögel. Selbst Spatzen und Amseln nicht.
Und können ältere Menschen Vögel noch an ihrem Gesang erkennen oder nimmt das auch insgesamt ab?
Wenn ich vor einer Kindergruppe etwas von der Feldlerche erzähle, dann kennen sie die vielleicht noch vom Namen her. Aber kaum ein Kind hat jemals eine Feldlerche erlebt. Das liegt aber natürlich auch daran, dass deren Bestand dramatisch abgenommen hat in den letzten Jahrzehnten durch die intensive Landwirtschaft. Auch viele andere Vögel der Agrarlandschaft sind extrem bedroht. Andererseits sind Arten wie Seeadler, Weißstorch, Schwarzstorch, Wanderfalke, Uhu, Kranich, Kormoran, die zu meiner Kindheit sehr selten waren, heute überall zu sehen. Man sieht heute einfach andere Vögel als früher. Auch viele ältere Menschen sind daher mit den heute häufigen Vögeln nicht vertraut.
Die Biologie-Lehrer, die heute die Uni verlassen, haben so gut wie keine Artenkenntnisse mehr.
Ist der Zusammenhang zwischen dem Naturwissen und der eigenen Naturerfahrung kausal?
Ganz grundsätzlich muss ich sagen, die persönliche Naturerfahrung nimmt ab und dementsprechend auch das Wissen. Viele wissen nicht mal mehr die Basics. Dass Vögel zum Beispiel im Sommer aufhören zu singen, oder dass nur die Männchen im Frühjahr singen und warum sie das tun. Das wissen viele nicht. Bestenfalls bringt die Großelterngeneration den Enkeln noch etwas bei. Früher gehörte die Vermittlung von Naturwissen auch noch in die Schule. Unsere Biologielehrerin war eine ostpreußische Försterstochter, die kannte alle Pflanzen und Tiere. Die Biologie-Lehrer, die heute die Uni verlassen, haben so gut wie keine Artenkenntnisse mehr. Das ist nicht mehr gewünscht, das wird auch nicht mehr gefördert, da werden auch von der deutschen Forschungsgemeinschaft entsprechende Projekte überhaupt nicht mehr gefördert. Die Systematik, die Artenkenntnis, wird praktisch totgespart.
Und warum ist Artenkenntnis so wichtig?
Wenn ich nicht weiß, was es für Arten gibt, vermisse ich sie auch nicht, wenn sie nicht mehr da sind.
Es ist klar, dass man sich mehr Wissen aneignet, wenn man mehr eigene Erfahrungen in der Natur macht, aber funktioniert es auch anders herum, dass man die Natur intensiver erleben kann, wenn man mehr über sie weiß?
Absolut. Man sieht nur, was man kennt. Aber es schaut und hört ja keiner mehr hin. Ich stehe an der Bushaltestelle, über mir ziehen Kraniche mit großem Getöse - und alle gucken nur auf ihr Smartphone. Ich hab es schon erlebt, dass mitten in der Stadt auf so einem Grasstreifen ein Sperber eine Amsel rupfte. Ich hab das natürlich beobachtet. Dann kamen Fußgänger und ich dachte, die werden ja nun gleich stehen bleiben und laut etwas sagen und dann ist er weg. Aber nein, die haben das gar nicht gesehen. Die gingen einfach weiter ohne einen Blick auf diese Szenerie. Es gibt Experimente aus den USA, die belegen, dass das Gehirn Dinge, mit denen es nicht rechnet, die für das Gehirn nicht Alltagsrelevant sind, einfach ausblendet.
Ich habe gelesen, dass es Ihr Anliegen sei, naturwissenschaftliche Forschung und intuitives Erfahrungswissen zu einem „neuen alten Naturverständnis“ zu vereinen. Können Sie das erklären?
Ich habe kein anthropozentrisches, sondern ein biozentrisches Weltbild. Ich sehe Tiere und Pflanzen als zu respektierende und, zumindest die Tiere, auch beseelte Mitgeschöpfe an. Der Mensch steht für mich nicht außerhalb der Natur, sondern ist Teil von ihr. Ich habe lange gebraucht, das so zu sehen. Ich war schon Ende Vierzig und habe schon sehr lange im Naturschutz gearbeitet. Ich konnte immer nicht begreifen, warum Menschen so naturfeindlich handeln. Bis ich dann irgendwann begriffen habe, dass andere Menschen die Natur ganz anders sehen als ich. Vielfach wird Natur nur noch als Kulisse gesehen. Ich wünsche mit einfach mehr Respekt.
Versuchen Sie, diesen Respekt bei Ihren Exkursionen zu vermitteln?
Ich vermittle das nicht mit erhobenem Zeigefinger. Ich lebe das einfach. Und die Leute merken das, finden das toll. Ich vermittle auf unterhaltsame und authentische Art und Weise Freude an der Natur. Die Leute lernen bei mir sehr viel, ohne, dass sie das überhaupt merken. Ich erzähle Geschichten. Und allein schon durch meine Imitationskünste, die ich ja nur zu didaktischen Zwecken einsetze, werden die Menschen tief im Herzen berührt.
Und das verändert deren Einstellung zur Natur?
Das kann man natürlich nur hoffen. Aber ich habe ja lange im Naturschutz gearbeitet und meine Erfahrung ist, wenn man etwas nur theoretisch vermittelt, dann funktioniert das meist nicht. Es muss das persönliche Erlebnis sein. Ich habe schon öfters erlebt, dass, wenn ich bei einer Gruppenreise zum Beispiel einfach nur mit vor Ort war und eigentlich gar nichts gemacht, nichts erzählt haben, sich hinterher alle bei mir bedankt und gesagt haben, sie hätten noch nie soviel über die Natur gelernt wie bei mir. Ich habe dann geantwortet, dass ich doch gar nichts gemacht habe, außer vielleicht hier und da mal auf das ein oder andere Tierchen hinzuweisen. Naja, sagten sie, aber es ist deine Art, dich in der Natur zu bewegen, sie zu betrachten und dein Respekt. Das kommt offensichtlich an. Das bewegt die Menschen.
Die beste Exkursion kann auch die sein, bei der man nur fünf Meter weit kommt.
Wenn jemand zu Ihnen kommt, der gar keine Beziehung zur Natur hat, und der würde Sie nun bitten, ihm einmal zu zeigen, was so faszinierend an dieser komischen Natur sein soll. Wohin würden Sie mit ihm gehen?
Wir würden in den Stadtpark gehen. Da gibt es inzwischen mehr zu sehen, als im Wald oder in der Agrarlandschaft. Unser Stadtpark hier ist sehr abwechslungsreich, mit Feuchtwiesen, mit Bruchwald, mit Buchenwald, mit Teichen und Bächen. Da gibt es sogar den Eisvogel. Ich würde gar nicht viel erzählen, sondern einfach dabei sein und dieses und jenes zeigen. Aber die beste Exkursion kann natürlich auch die sein, bei der man nur fünf Meter weit kommt. Ob im Wald oder im Garten, da entdeckt man die kleinsten, allerkleinsten Wunder, wenn man weiß, wonach man schauen soll. Ich habe ja auch eine Ausbildung als zertifizierter Natur- und Landschaftsführer und da gibt es verschiedene Methoden, wie man didaktisch etwas vermittelt. Da gibt es Spielchen, die man machen kann, um an die Natur heranzuführen.
Was für Spiele sind das?
Zum Beispiel das Kameraspiel. Da geht es darum, Details zu sehen, die man sonst gar nicht sehen würde. Es ist eine Partnerübung. Der Eine ist eine Kamera und der Andere der Fotograf. „Die Kamera“ hat zunächst die Augen geschlossen. „Der Fotograf“ sucht sich das Motiv aus; wenn das eine Makroaufnahme werden soll, dann zum Beispiel eine Flechte an der Baumrinde, und führt dann seine „Kamera“ mit geschlossenen Augen hin, justiert sie, und wenn man die Augen dann aufmacht, hat man genau dieses Objekt vor sich. Und dann sieht man diese Flechte, oder einen Käfer oder ein skurriles Blatt oder was auch immer. Selbst wenn man das in einem öden Kiefernwald macht, hat am Ende jeder etwas anderes entdeckt. Eine andere Übung mache ich gerne zum Einstieg einer vogelkundlichen Wanderung. Da stellt man sich im Kreis auf und schließt die Augen. Man ist ganz still und dann lauscht man auf alles, was von vorne kommt, dann was von links kommt und von rechts. Und dann hören wir auch alles, was von hinten kommt. Und wenn wir im Wald stehen, dann hören wir auch noch etwas von oben. Und schließlich stellen wir uns vor, wir sind in einer Kugel und nehmen alles gleichzeitig, aber trotzdem differenziert wahr. Das ist für viele Menschen ein völlig ungewohntes Erlebnis.
Was sind denn für Sie die spannendsten Landschaften? Eher die, wo es nur so zwitschert und blüht oder die, wo man viel genauer hinsehen muss, um überhaupt interessante Tiere und Pflanzen zu entdecken?
Ich fühle mich besonders wohl in meinem Domizil am Schaalensee, da kann ich im Garten Seeadler und Kraniche beobachten. Aber in Hamburg und in Berlin gibt es auch sehr spannende Orte, Brachflächen, stillgelegte Bahnflächen zum Beispiel. In Hamburg gibt es so ein kleines Wattgebiet vor der Kulisse eines riesigen Kraftwerks, direkt an der Autobahn zwischen Gewerbegebieten. Und das ist das Interessante, dass man oft viel mehr Tiere und Pflanzen in solchen Gebieten hat als im Umland, wo güllegeschwängerte Maisäcker oder Fichtenmonokulturen alles dominieren.
Wenn Sie in ein anderes Land verreisen, wo sich Flora und Fauna von der hiesigen erheblich unterscheiden, wünschen Sie sich da auch einen Naturführer an Ihrer Seite?
Ich freue mich natürlich auch, neue Arten kennenzulernen, klar. Aber ich bin kein Ornithomane, kein Artensammler, der nur Arten abhaken will. Wenn ich wo hinkomme, versuche ich vor allem die Landschaft zu verstehen. Ich mag sowohl den skandinavischen Raum als auch den Mittelmeerraum. Da hat man dann entsprechend andere Arten und die versuche ich auch zu finden. Es ist oft hilfreich, dass in Reisegruppen zu machen, weil die Ortskundigen einfach die guten Stellen kennen und Tipps geben können. Ich bin nicht jemand, der selbst auf eigene Faust alles findet. Auch ich lasse mir gerne etwas zeigen.
Wenn Sie irgendwo sind, wo Sie noch nicht waren, dann hören Sie ja wahrscheinlich die fremden Vögel erst, bevor Sie sie sehen. Haben Sie dann eine Ahnung, um was für einen Vogel es sich handeln könnte?
Manchmal ja, manchmal nein. Ich muss auch nicht alles wissen. Ich interessiere mich ja auch nicht nur für Vögel, sondern für alles, was ich nicht kenne. Gibt’s eine andere Vegetation, andere Landschaftsformen? Ich wandere dann auch gerne einfach. Einmal war ich in Mallorca, da war mitten in einem Dorf so eine Brachfläche und da blühte es bunt, da habe ich dann den ganzen Nachmittag verbracht und mir die Blumen und die Insekten angeguckt. Ich habe dann auch versucht, sie zu bestimmen. Aber dann dachte ich mir, was nutzt mir jetzt der Name? Ich müsste dann ja schon auch wissen, was jetzt das Besondere an dieser Art ist, nur dann kann ich sie wirklich kennenlernen. Der Name allein nützt mir überhaupt nichts. Und ich sage den Leuten auch immer, ihr müsst auch nicht jeden Gesang der Vögel erkennen, erfreut euch einfach daran. Ihr müsst auch nicht jede Blume erkennen, erfreut euch daran.
Würden Sie also sagen, es ist wichtiger, dass die Menschen die Vielfalt erkennen und heraushören oder -sehen, dass es so unglaublich viele und verschiedene Wildtiere gibt, als sie alle im einzelnen bestimmen zu können?
Natürlich sollten sie die wichtigsten schon kennen, aber man muss nicht jeden Käfer kennen. Aber eine Amsel zu erkennen ist das eine, um sie kennenzulernen, muss man ihr jedoch auch in Ruhe zuschauen, was sie da gerade macht und warum sie das macht. Ich kann mich erinnern, auf so einem Heuballen hockte eine Schafstelze, die bei uns im Sommer häufig zu sehen ist. Ein normaler Ornithologe würde die einfach abhaken. Ich aber habe der eine halbe Stunde zugschaut, wie sie auf diesem Ballen hin- und hergelaufen ist und Insekten gefangen hat. Einfach, weil ich sie schön finde. Es geht bei Artenkenntnis, beim Naturwissen, nicht nur darum, eine Art bestimmen zu können. Deshalb erzähle ich ja auch immer Geschichten zu den verschiedenen Tieren. Geschichten sind sowieso ganz wichtig. Ich weiß nicht, ob sich die Menschen wirklich alles merken, was ich ihnen über die Tiere erzähle, aber an die Geschichten werden sie sich erinnern. Das passiert nicht, wenn man sagt, dahinten ist eine Goldammer, da ist der Gartenrotschwanz, da ist eine Kohlmeise; da steigt jeder sofort aus. Man braucht Geschichten - und man braucht Zeit. Wenn man den Leuten Zeit lässt, einem Buntspecht einfach mal eine halbe Stunde zuzugucken, wie er da am Baum hackt, dann werden sie vielleicht eine Verbindung zu diesem Tier aufbauen und das ist viel mehr wert, als zig Tiernamen zu lernen.
Interview: Ivo Bozic