Ein neuer Urwald entsteht in Deutschland
Wichtige Rückzugs- und Lebensräume für Pflanzen und Tiere
Das Thema Urwald ist derzeit in Politik und Medien in aller Munde. Oft geht es dabei um Maßnahmen gegen das „Waldsterben 2.0“ in Deutschland oder die Waldbrände im Amazonas. In Deutschland gibt es schon seit Jahrhunderten keinen ursprünglichen Urwald mehr. Das soll sich jetzt ändern. In der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt hat die Bundesregierung bereits 2007 das Ziel formuliert bis 2020 auf zwei Prozent der deutschen Landesfläche Wildnisgebiete auszuweisen. Ein weiterer Augenmerk liegt auf den Wäldern: hier sollen 5% einer natürlichen Waldentwicklung überlassen werden. „Wildnis“ im Kontext von Deutschland meint also den großflächigen Schutz von natürlichen Prozessen.
„In einem Wildnisgebiet zieht sich der Mensch weitgehend zurück und überlässt die Fläche den Gesetzmäßigkeiten der Natur“, erläutert Petra Riemann, Referentin für Flächenmanagement bei der Deutschen Wildtier Stiftung. „So können sich wieder Urwaldstrukturen entwickeln. Die Prozesse von Reifung, Alterung, Zerfall und Erneuerung im Wald werden durch keine Bewirtschaftung unterbrochen. Man kann erleben, wie alt und mächtig unsere heimischen Baumarten werden können. “
Totholz. Lebensraum für viele seltene Arten
Es mag komisch klingen, aber oft ist fehlendes Totholz der limitierende Faktor für viele seltene Arten im Lebensraum Wald. „Alte oder tote Bäume bieten Baumhöhlen für verschiedene Vögel und Säugetierarten, sind aber auch Nahrungsquelle für seltene Käfer und andere Insekten“, ergänzt ihr Kollege Sebastian Brackhane, Leiter für Fledermausschutz bei der Deutschen Wildtier Stiftung. Dabei ist der Forschungsbedarf noch hoch. „Derzeit untersuchen wir z.B. welche Fledermausarten in unseren Wäldern vorkommen, wo sie ihre Jungen aufziehen und wo sie überwintern.“ Das Projekt ist Teil des Bundesprogramms zum Schutz der Mopsfledermaus, geht aber weit darüber hinaus. „Wir schließen alle auf unseren Flächen vorkommenden Fledermausarten und alle potenziellen Lebensräume in die Untersuchung mit ein“, so Brackhane.
Das 2-Prozent-Wildnisziel wird bis 2020 sehr wahrscheinlich nicht umzusetzen sein, denn derzeit erfüllen gerade einmal 0,6 Prozent der Landesflächen die Kriterien der nationalen Biodiversitätsstrategie. Die Deutsche Wildtier Stiftung, andere Naturschutzorganisationen und der staatliche Naturschutz arbeiten daran, dass Deutschland zukünftig wieder über Urwaldflächen verfügt. In den 16 deutschen Nationalparks wird das Ziel der natürlichen Entwicklung bereits seit den 1970iger Jahren umgesetzt. Das bedeutendste Naturschutzprojekt Deutschlands ist die unentgeltliche Übertragung von mittlerweile 156.000 Hektar bundeseigenen wertvollen Naturschutzflächen an die Länder, Naturschutzstiftungen und –verbände: Das Nationales Naturerbe. Laut dem aktuellen Koalitionsvertrag ist eine weitere Übertragung von 30.000 Hektar vorgesehen, an deren Umsetzung aktuell gearbeitet wird. Auch ein neues Förderprogramm des Bundes wurde diesen Sommer eingerichtet: Der Wildnisfonds mit jährlich 10 Millionen € wurde aufgesetzt, um das ambitionierte zwei Prozent Wildnis-Ziel zu unterstützen. Die Fledermäuse und alle anderen Wildtiere und-pflanzen wird es freuen.