Inventur bei Biene Majas wilden Verwandten
Zwei seltene Wildbienenarten in Hamburg und in Klepelshagen entdeckt
Der seltene Superstar auf Magerrasen in Klepelshagen trägt feine filigrane Pantöffelchen. Diese dichtgewachsenen Härchen an den Füßen der Wildbiene der Extraklasse gaben ihr den Namen: Die Wollfüssige Blattschneiderbiene (Megachile lagopoda) wurde beim Wildbienen-Monitoring 2016 in Gut Klepelshagen in Mecklenburg-Vorpommern entdeckt. „Die Blattschneiderbienenart zählt zusammen mit der Felsen-Mauerbiene (Osmia mustelina) zu den absoluten Highlights des Monitorings. Und macht mit weiteren 107 Wildbienenarten den ökologischen Agrarbetrieb der Deutschen Wildtier Stiftung zu einem regional bedeutenden Naturraum“, sagt Dr. Christian Schmid-Egger. Ein Lob aus berufenem Mund. Der Wildbienenforscher hat das einjährige Monitoring selbst durchgeführt und gilt europaweit als führender Wildbienen- und Wespenexperte. Er veröffentlichte zahlreiche tierökologische Studien, forschte schon in Dubai im heißen Wüstensand nach Grabwespen und Wildbienen. Jetzt sagt er: „Ich kenne keinen Agrarbetrieb in Norddeutschland, der annähernd an das Wildbienen-Spektrum von Gut Klepelshagen heranreicht. Von den 107 auf dem Gut der Deutschen Wildtier Stiftung entdeckten Wildbienenarten gelten 21 Arten sogar als bedroht und stehen auf der Roten Liste von Deutschland.“
Der Verzicht auf Chemie und kleinräumige Strukturen machen den Wildbienen-Lebensraum so wertvoll
Was aber macht Klepelshagen so besonders? Es ist nicht nur der konsequente Verzicht auf Chemie, der den Lebensraum für Wildbienen so wertvoll macht. Es sind vor allem die Feinheiten, die kleinräumigen Strukturen, die den meist nur wenige Millimeter messenden Wildbienen Unterschlupf und Nahrung bieten. Deutschlandweit gibt es 590 Wildbienenarten. Sie sind zum Teil hoch bedroht, denn als Nahrungs- und Nestbauspezialisten sind sie höchst anspruchsvoll! Ihnen das Leben leichter zu machen, ist jedoch keine hohe Wissenschaft – jeder kann mit einfachen Mitteln dazu beitragen. "Die einen nisten in lockeren Sandböden, die anderen ausschließlich in Stängeln und Totholz. Wieder andere suchen sich leere Schneckenhäuser für die Nestanlage", sagt der Wildbienenexperte. Oder sie brauchen – wie die in Klepelshagen nachgewiesene Felsen-Mauerbiene – Ritzen in Mauern, um dort ihren Nachwuchs unterzubringen. Dort überwintert die nächste Generation. Damit nicht genug: Auch ihre Nahrungssuche ist äußerst kapriziös. 175 deutsche Wildbienenarten sind an eine bestimmte Pflanzenart gebunden: Sie fliegen entweder auf Heide- oder Fingerkraut, sind auf Weiden oder Glockenblumen angewiesen oder nur auf Ölpflanzen zu finden. Ist dann die Blüte weg, verschwindet auch die Biene – aber nicht in Klepelshagen. Ganz im Gegenteil: Hier sind die Nahrungspflanzen vieler Bienen noch zu finden.
Die Deutsche Wildtier Stiftung will bei der Bewirtschaftung ihres Gutes in Mecklenburg-Vorpommern auch weiterhin auf diese speziellen Lebensräume Rücksicht nehmen. Mehr noch: „Durch gezielte Maßnahmen wie das Aussäen von Blühstreifen, die Pflege von Magerrasen und den Erhalt alter Mauern und Steinhaufen werden zusätzlich Lebensräume geschaffen“, betont der Wildbienenexperte. „So lassen sich selbst in genutzter Agrarlandschaft kleine Paradiese für die Spezialisten unter den Bienen herstellen.“
In Hamburg am Flughafen fanden die Biologen die seltene Sandbienenart Andrena nigriceps
Die Deutsche Wildtier Stiftung hat eine Reihe von Schutzprojekten für Wildbienen ins Leben gerufen. So fand 2016 neben dem Wildbienen-Monitoring in Klepelshagen auch ein erstes Monitoring in Hamburg statt. Die „Volkszählung“ der Hamburger Bienen ist auf fünf Jahre angelegt und verfolgt das Ziel, erstmalig eine Rote Liste für Wildbienen in Norddeutschland zu erstellen. Mit Keschern schwärmen die Biologen der Deutschen Wildtier Stiftung aus, um die Arten zu erfassen. Auf dem Gelände des Hamburger Flughafens in Fuhlsbüttel wurde so die in Norddeutschland fast ausgestorbene Sandbiene (Andrena nigriceps) entdeckt. Letztmalig wurde diese Wildbiene 1938 in Hamburg gesichtet. „Unter den 127 Wildbienenarten, die wir zwischen April und August 2016 in Hamburg gesammelt haben, ein echtes Highlight“, sagt Dr. Christian Schmid-Egger.
Insgesamt waren in Hamburg sechs Bienensammler ganz klassisch mit Kescher, Netz und gelben Plastikschalen unterwegs. Sie haben rund 40 Biotope „abgegrast“. Bis 2019 wird in Hamburg jetzt jedes Jahr gesammelt und erfasst, 2020 findet dann die Datenauswertung und Veröffentlichung der Roten Liste statt. Bei der Inventur von Biene Majas wilden Verwandten wertet Schmid-Egger auch bereits vorhandene Altdaten aus. Die wesentliche Quelle dafür ist das Zoologische Museum der Universität Hamburg. Masterstudenten und Mitarbeiter des Zoologischen Institutes arbeiten an dem Projekt mit, das von der Deutschen Wildtier Stiftung finanziert wird. „So ein Monitoring ist eine wichtige Grundlage, um Lebensräume für Wildbienen zu verbessern“, sagt der Wildbienenforscher. „Gerade eine Stadt wie Hamburg mit kleinräumigen Strukturierungen wie Park- und Kleingartenanlagen, Gärten und weiträumigen Grünflächen bietet gute Voraussetzungen für Wildbienen.
Was planen die Wildbienenforscher der Deutschen Wildtier Stiftung noch alles in 2017?
Es finden weitere Monitorings statt. Zum Beispiel in 2017 auf dem Hamburger Friedhof Ohlsdorf, dem größten Parkfriedhof der Welt. Auch hier „ackerten“ die Experten 2016 für die Wildbiene. Ein breiter Blühstreifen wird 2017 zum Wildbienen-Boulevard und dann genau unter die Lupe genommen. Ob sich auch hier seltene Arten einfinden, wird mit Spannung erwartet!