"Windenergiegipfel" - Stellungnahme der Deutschen Wildtier Stiftung

In Zusammenarbeit mit Dr. Klaus Richarz

Deutsche Wildtier Stiftung: Keine Windkraft im Wald!
Lesen Sie hier die Stellungnahme der Deutschen Wildtier Stiftung in Zusammenarbeit mit Dr. Klaus Richarz, dem ehemaligen Leiter der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, zum BWE Aktionsplan für mehr Genehmigungen von Windenergieanlagen an Land (23.08.2019)

Die Deutsche Wildtier Stiftung engagiert sich mit ihren Projekten für den Erhalt und Schutz von Wildtieren und ihrer Lebensräume in Deutschland. Dabei adressiert sie die Auswirkungen intensiver Land- und Forstwirtschaft oder der Zerschneidung von Landschaften ebenso wie die Auswirkungen erneuerbarer Energien. Hier hat sie sich auf die Themen Biogas und Windkraft fokussiert. Im Zusammenhang mit der Windkraft fordert sie einen Baustopp in den Wäldern Deutschlands.

In Deutschland fallen den Windenergieanlagen jährlich rund 250.000 Fledermäuse und tausende Greifvögel zum Opfer. Geeignete Standorte im Offenland werden knapp und damit steigt in vielen Regionen der Druck auf Waldflächen, um diese für Windenergieanlagen nutzbar zu machen. Die Deutsche Wildtier Stiftung fordert bereits seit 2014: „Windkraft? Ja, aber nicht zu Lasten unserer Wälder“.

Mit dem Bau von Windenergieanlagen wird das komplexe Ökosystem Wald mit all seinen wichtigen Funktionen als Lebensraum, Nahrungsquelle und Klimaregulator beeinträchtigt: Noch ehe die zum Teil 240 m hohen Windräder sich über den grünen Wipfeln drehen, kommt es zu massiven Störungen durch die Rodung der erforderlichen Flächen und den Bau der Zuwegung für die Anlagen und die folgende Bauphase.

Im Zweifel gegen den Artenschutz? Das darf nicht sein!

Im Rahmen des im Juli 2019 veröffentlichten Aktionsplans des Bundesverbandes Wind Energie werden eine Vielzahl von Maßnahmen genannt mit Hilfe derer, der aus der Sicht dieses Lobbyverbandes bestehende Genehmigungsstau aufzulösen sei. Neben einigen Vorschlägen zur Beschleunigung von behördlichen und gerichtlichen Vorgängen, wird massiv der Artenschutz als Hemmnis für Genehmigungserteilungen und Verfahrensdauer verantwortlich gemacht. So sei im Zweifel gegen den Artenschutz und für die Windenergie zu entscheiden, um auch die letzten verbliebenen Refugien für die Windenergie nutzbar zu machen. Auch wird die Forderung erhoben, das im Bundesnaturschutzgesetz definierte Tötungsverbot aufzuweichen, indem erst bei der Prognose einer „höchstwahrscheinlichen“ Kollision eines Vogels/einer Fledermaus mit einem Windrad ein Problem gesehen werden soll.

Zu den Forderungen des BWE nimmt die Deutsche Wildtier Stiftung wie folgt Stellung:

"Im Zweifel für die Windenergie“ oder auch die Bagatellisierung des Artenschutzes

Die Forderung, der Natur- und Artenschutz und die damit verbundene Gesetzgebung habe sich dem Ausbau der Windenergie unterzuordnen, ist abzulehnen. Der Artenschutz ist in Deutschland eine gewaltige Aufgabe und bedarf erheblicher politischer und gesellschaftlicher Anstrengungen. Negative Einflüsse auf die Lebensräume vor allem bedrohter Arten sind daher auf ein Minimum zu reduzieren.

Die Rückgangsursachen aller heute bei uns bedrohten und/oder im Rückgang befindlichen Arten sind in den Veränderungen und Verlusten ihrer Lebensräume, den Einflüssen von anthropogenen Strukturen (Zerschneidungs-, Störwirkungen, direkte Verluste) sowie direkten und indirekten Nahrungsverlusten festzumachen. Auch Windenergieanlagen stellen für verschiedene Arten und in einigen Situationen einen nicht zu vernachlässigenden Gefährdungsfaktor dar. Daher muss es auch beim Konfliktfeld Windenergienutzung und Artenschutz in der Abwägung weiterhin gelten: „Im Zweifel für die Natur“.

Der Verlust von Arten ist keine Bagatelle!

Die meisten im Aktionsplan des BWE enthaltenen Forderungen sind nicht neu, sondern werden von Interessenvertretern der Windenergie seit Jahren immer wieder so oder in ähnlicher Form vorgetragen. Allen gemeinsam ist, dass, wenn nicht der Verlust von Arten durch Kollision mit den Rotoren oder durch Vertreibung aus dem Umfeld der in Betrieb befindlichen Windenergieanlagen infolge von Störempfindlichkeit bereits völlig in Abrede gestellt werden, man diese zumindest bagatellisiert. Vielfach gibt es Forderungen nach wissenschaftlichen Belegen für die vorgetragenen negativen Einflüsse. Institutionen, die diese vorlegen, werden verschwiegen oder als Vertreter „einzelner Interessengruppen“ abgestempelt. So auch bspw. die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten, die immerhin der Zusammenschluss der für Vogelschutz zuständigen Länderfachbehörden darstellt.

II. Angriff auf das Bundesnaturschutzgesetz

Der BWE fordert „zur Schaffung noch größerer Rechtssicherheit“ den Signifikanzbegriff in § 44 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 BNatSchG zu konkretisieren. Dabei sollen Schlagopferzahlen zu den Beständen in eine Relation gesetzt und das Tötungs- und Verletzungsverbot auf ein absichtliches Handeln abgestellt werden.
Beides enthöhlt und entwertet das gegenwärtig bestehende Bundesnaturschutzgesetz zu Lasten des Artenschutzes und strebt eine Verschiebung der Beweislast an. Selbstverständlich hat kein Betreiber von Windenergieanlangen die Absicht Vögel oder Fledermäuse zu töten. Jedoch ist das Töten einzelner Individuen durch die Rotoren in der Realität ein Fakt. Die Forderung nur absichtliches Töten zu verbieten, billigt das wissentliche Töten von Wildtieren.

III. Windenergieanlagen sollen im Genehmigungsprozess aufgrund des „dringenden Klimaschutzinteresses“ einen Ausnahmetatbestand darstellen können

Keine Ausnahmen von § 45 Abs. 7 BNatSchG

Der Bau von Windenergieanlagen ist ohnehin bereits baurechtlich privilegiert und darf im Genehmigungsprozess nicht auch noch einen „Ausnahmetatbestand“ darstellen, geht es doch hierbei um einen weiteren und konstanten Eingriff des Menschen in Natur und Umwelt. Weitere Ausnahmen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG darf es nicht geben. Ebenso wenig akzeptabel ist die Aufweichung des bestehenden § 44 BNatSchG, handelt es sich doch hierbei um die Umsetzung verbindlicher Europäischer Richtlinien in nationales Recht.

Mit Blick auf die Bestandentwicklung vieler auch von Windenergieanlagen betroffener Arten braucht es statt einer Aufweichung heutiger Standards einer Verschärfung auch im Hinblick auf die langfristigen und großräumigen Auswirkungen eines massiven Ausbaus der Windenergie auf die wenigen verbliebenden Lebensräume von Wildtieren.

IV. Forderung nach definierten Kriterien für artenschutzrechtliche Entscheidungen

Die vom BWE geforderten einheitlichen und verbindlichen Erfassungs- und Bewertungsmethoden im Konfliktfeld Windenergienutzung und Artenschutz sind sinnvoll. Allerdings haben die Erfassungen und Bewertungen auf wissenschaftlicher Basis nach dem „Stand der Technik“ zu erfolgen und dürfen nicht, wie meist bisher, zu einer „Verwässerung“ aufgrund falsch gesetzter politischer Zielvorgaben und unter Druck von Lobbyisten führen.

Wenn geplante Anlagen an bestimmten Standorten zu nicht lösbaren Konflikten mit dem Natur- und Artenschutzrecht führen, sind diese Standorte für den Bau und den Betrieb der Anlagen ungeeignet. Das trifft immer dann zu, wenn das Tötungsrisiko signifikant über dem üblichen Lebensrisiko liegt und Kompensations- und Ausgleichsmaßnahmen gar nicht oder nicht in einem zeitlich vertretbaren Rahmen möglich sind. Folglich sind Genehmigungen an solchen Standorten zu untersagen.

Für Arten, bei denen die Kollisionsverluste an Windenergieanlagen bereits nahe an populationswirksame Auswirkungen heranreichen und für die wir zudem eine internationale Verantwortung tragen (wie beim Rotmilan mit 60% des weltweiten Brutbestands in Deutschland oder dem Abendsegler als weit über Staatsgrenzen hinaus wandernde Fledermausart) muss es einheitliche Mindestabstandempfehlungen zu Brutplätzen (Rotmilan) und Abschaltzeiten (Abendsegler) geben. Die im sogenannten „Helgoländer Papier“ veröffentlichten Empfehlungen der Staatlichen Vogelschutzwarten zu Abstandsregelungen zwischen Brutplätzen sowie anderen bedeutsamen Vogellebensräumen und Windenergieanlagen müssen in ganz Deutschland konsequent beachtet und einheitlich umgesetzt werden.

Fazit

Windkraftausbau darf nicht auf Kosten der Wildtiere gehen

Die Deutsche Wildtier Stiftung sieht in den Vorschlägen des Bundesverbandes Windenergie keinen Beitrag für einen naturverträglichen Ausbau der Windenergie. Sie sind rückwärtsgewandt, diskreditieren den Artenschutz und sehen allein in der Schwächung des Artenschutzes die Chance, die stockende Genehmigung neuer Anlagen zu überwinden. Es findet sich in dem Forderungskatalog kein einziger wegweisender Vorschlag, der beide Interessen – den Schutz der Artenvielfalt und den Ausbau der Windenergie – zielführend verzahnt. Der Erhalt der Artenvielfalt in Deutschland ist als ein wichtiges politisches Anliegen anerkannt. Wir erwarten von den zuständigen politischen Entscheidungsträgern, dass sie alles dafür tun, um den Ausbau der Windkraft so voranzutreiben, dass am Ende Wildtiere nicht die Opfer dieser Entwicklung werden.

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