Fledermaus – Gefährdeter Jäger der Nacht
Die Deutsche Wildtier Stiftung engagiert sich in ganz Deutschland für den Fledermausschutz
Fledermäuse leiden vor allem unter der Intensivierung der Land- und Forstwirtschaft und der Sanierung von Gebäuden. In der Landwirtschaft führen der Einsatz von Pestiziden, der Verlust wichtiger Strukturelemente (z. B. von Hecken) durch die „Ausräumung“ der Landschaft sowie der anhaltende Trend zu Monokulturen auf Ackerflächen zum Verlust von Lebensraum für eine Vielzahl von Tierarten. Das damit einhergehende Insektensterben entzieht den Fledermäusen vielerorts die Nahrungsgrundlage. Die Sanierung von Gebäuden und der Verlust von dörflichen Strukturen sowie fehlende Habitatbäume und zu wenig Totholz in Wäldern erschweren es den Fledermäusen, geeignete Sommer- und Winterquartiere zu finden.
Die Deutsche Wildtier Stiftung erforscht die Welt der Fledermäuse und leitet aus den gewonnen Erkenntnissen wissenschaftlich fundierte Konzepte zum Fledermausschutz ab. Dazu gehören konkrete Maßnahmen wie die Pflanzung von Hecken, das Herrichten ehemaliger Bunkeranlangen auf den Naturerbeflächen als Winterquartiere und die Auswahl von geeigneten Habitatbäumen im Nutzwald.
Unsere Fledermausprojekte
Wilde Weiden für Nachtfalter und Fledermaus
Vor der weitgehenden Urbarmachung der Landschaft durch den Menschen, streiften noch wilde Herden von Auerochsen, Wildpferden und Wisenten durch die deutschen Wälder. Sie hatten eine ganz besondere Wirkung auf den Wald, schafften z. B. durch ihr Fraßverhalten lichte Waldstrukturen oder parkähnliche Landschaften, die einer Vielzahl von Tierarten Lebensraum boten.
Nachdem diese großen Pflanzenfresser in der freien Wildbahn ausgerottet wurden, übernahmen domestizierte Rinder und Schweine diese Funktion. Diese wurden von der lokalen Bevölkerung, zum Beispiel zur Eichelmast, in den Wald getrieben und schafften lichte Hutewälder mit mächtigen Eichen. Doch auch diese traditionelle Landnutzungsform wurde aufgegeben und der Biotoptyp Hutewald wird mittlerweile in der Roten Liste der gefährdeten Biotoptypen des Bundesamts für Naturschutz als „akut von vollständiger Vernichtung bedroht“ geführt.
Im Projekt „Wilde Weiden Taubergießen“ in der Gemeinde Kappel-Grafenhausen am Oberrhein wurde einem ehemaligen Hutewald wieder Leben eingehaucht. Über 70 Hektar Wald und 30 Hektar Offenland werden dort mit Konik-Pferden und Salers-Rindern extensiv beweidet. So sollen sich wieder lichte Waldstrukturen entwickeln, die Insekten und Wildtieren wie den Fledermäusen optimalen Lebensraum bieten. Ob das tatsächlich gelingen kann, erforscht die Deutsche Wildtier Stiftung mit ihrem Projekt „Wilde Weiden für Nachtfalter und Fledermaus“. An jeweils 50 repräsentativen Monitoringpunkten, die entlang eines standardisierten Rasters ausgerichtet sind, soll mithilfe von sogenannten Batcordern und Lichtfallen das Artenspektrum der nachtaktiven Fledermäuse und ihrer Beute erfasst werden. Nach Auswertung aller erhobenen Daten kann der ökologische Wert von Waldweiden für den Schutz von Insekten und Fledermäusen bestimmt werden.
Das Projekt wird mit Mitteln der Deutschen Postcode Lotterie durchgeführt.
Schutz und Förderung der Mopsfledermaus
Die Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus) wird in der Roten Liste der gefährdeten Tierarten des Bundesamts für Naturschutz als stark gefährdet eingestuft. Mopsfledermäuse ziehen ihre Jungen in Wochenstuben unter abstehender Rinde oder in Rissen in Baumstämmen auf. Sie benötigen daher naturnahe Wälder mit einem hohen Anteil an stehendem Totholz. Da ihr europäischer Verbreitungsschwerpunkt in Deutschland liegt, ist sie eine sogenannte Verantwortungsart, auf die der Naturschutz in Deutschland ein besonderes Augenmerk legt. Die Deutsche Wildtier Stiftung ist Projektpartner im Verbundprojekt „Schutz und Förderung der Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus) in Deutschland“. Auf den Naturerbeflächen der Deutschen Wildtier Stiftung führen wir bioakustische Monitorings durch: Die Ultraschallrufe der Fledermäuse werden aufgezeichnet und am Computer einzelnen Arten zugeordnet. So können Informationen über die Verbreitung der Mopsfledermaus gewonnen und konkrete Maßnahmen zum Schutz der seltenen Waldfledermaus abgeleitet werden.
Die Deutsche Wildtier Stiftung ist Projektpartner der Naturstiftung David im Verbundprojekt „Schutz und Förderung der Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus) in Deutschland“ im Bundesprogramm Biologische Vielfalt und arbeitet auf ihren Flächen eng mit dem Institut für Tierökologie und Naturbildung zusammen. Informationen zum Verbundprojekt finden Sie hier.
Fledermausgarten Gehren
Der Fledermausgarten Gehren verbindet unterschiedliche Abteilungen der Deutschen Wildtier Stiftung: Naturschutz, Naturbildung und Kommunikation. Durch das neu entstandene Fledermaushaus konnte der Fledermausfauna im Raum Klepelshagen ein weiteres überlebenswichtiges Winterquartier zur Verfügung gestellt werden. Auf dem weitläufigen Grundstück entsteht außerdem ein Informationszentrum: Entlang eines Lehrpfads informieren Schautafeln über die verschiedenen Lebensräume der Fledermäuse. Und eine „Forschungsstation“ stellt aktuelle Ansätze der Fledermausforschung vor. Der Fledermausgarten Gehren soll im Sommer 2022 offiziell eröffnet werden.
Großer Abendsegler –
gefährdeter Flugakrobat
Welche Gründe für den Rückgang dieser Fledermausart verantwortlich sind, soll eine umfassende Ursachenanalyse aufzeigen. Im Rahmen einer Pilotstudie der Deutschen Wildtier Stiftung in Schleswig-Holstein testen Experten hierfür neuste Methoden der Fledermausforschung.
Wir beobachten aktuell den dramatischen Rückgang einer ehemals häufigen Fledermausart.
Der Abendsegler ist im Vergleich zu anderen Fledermausarten eine in großen Höhen fliegende Art, die ihre Tagesquartiere überwiegend in Bäumen, seltener auch in Felsspalten aufsucht. Sogar an Hochhäusern findet der Große Abendsegler (Nyctalus Noctula) Verstecke wie Betonspalten oder Dachüberhänge. In ganz Deutschland verbreitet, liegt sein Verbreitungsschwerpunkt im Norddeutschen Tiefland, wo die Art in Waldgebieten Wochenstuben gründet. Dies sind Zusammenschlüsse von Weibchen vor der Geburt der Jungen. Ihr Nachwuchs wächst innerhalb dieser Kolonien über einen Zeitraum von sechs bis acht Wochen heran. Zur Paarung und Überwinterung verlässt ein Teil der Tiere seine Wochenstubengebiete und wandert ab Oktober nach Mittel- und Süddeutschland, nach Frankreich oder in die Schweiz. Gleichzeitig kommen Tiere aus Schweden oder dem Baltikum, um in Norddeutschland zu überwintern.
Der Abendsegler ernährt sich im offenen Luftraum von sogenanntem Luftplankton – schwärmenden Insekten, die sich in Höhen bis zu 1.000 Meter über dem Boden aufhalten.
PLÖTZLICH SELTEN
Fledermäuse werden überwiegend akustisch erfasst. Mithilfe von Detektoren können Experten ihre Ultraschallrufe hörbar machen. Jede Art hat individuelle Rufe, sodass man sie unterscheiden kann. Während der Große Abendsegler bis vor etwa zehn Jahren flächendeckend bei akustischen Erfassungen in Deutschland angetroffen werden konnte, nimmt die Nachweisdichte zunehmend ab. Kolonien in Schleswig-Holstein zeigen starke Schwankungen nach unten, was als Negativtrend der Population interpretiert werden kann. Die Reproduktionsraten in 2017 waren in den beobachteten Kolonien extrem gering.
Über die Ursachen für den negativen Populationstrend kann bislang nur spekuliert werden. Als mögliche Faktoren kommen die Verringerung des Nahrungsangebotes durch den Insektenschwund, die unmittelbaren Verluste durch Kollisionen an Windenergieanlagen sowie der Verlust von Quartieren in Wäldern und Gebäuden infrage.
PILOTSTUDIE AN PLÖNER SEEN
Um die Faktoren zu erkunden, die einen negativen Einfluss auf Populationen des Großen Abendseglers haben können, sind umfassende Ursachenanalysen notwendig. Bei einer hochmobilen Fledermausart geht dies nicht ohne eine ausgefeilte Beobachtungstechnik.
Deshalb werden Erfassungsmethoden zunächst in unserer Pilotstudie in Schleswig-Holstein getestet. Es ist geplant, diese Untersuchungen später auch in weiteren Regionen Deutschlands durchzuführen. Dabei stehen folgende Fragen im Mittelpunkt:
Fragestellungen
• In welchen Teilen der Landschaft versuchen Abendsegler Nahrung zu erbeuten?
• Welche Beutetiere werden bevorzugt, und lassen sich über die Beutetiere Rückschlüsse auf die Abnahme ihrer Dichten (Insektenschwund) gewinnen?
• Wie ist das Flugverhalten von Großen Abendseglern im Bereich von Windenergieanlagen?
• Wie ist der Populationszustand ausgewählter Kolonien zu bewerten (Zahl reproduktiver Weibchen, Kolonieentwicklung, Reproduktionsrate)?
• Welche Aktivitätsdynamik kann in den Quartiergebieten in Wäldern und in gezielt überwachten Ganzjahresquartieren ermittelt werden?
Ein seit über 20 Jahren bekanntes, sogenanntes Kastenrevier bei Plön (Schleswig-Holstein) dient den Fledermauskundlern Dr. Markus Dietz, Karl Kugelschafter und Matthias Göttsche als Testgebiet. Hier werden spezielle Fledermauskästen von Abendseglern als Tagesquartiere genutzt. Einige der Individuen, die hier auch ihre Jungen zur Welt bringen und heranziehen, sind bereits individuell markiert und seit mehreren Jahren bekannt. Mithilfe akustischer Dauer-Erfassungen, die die Ultraschallrufe der Fledermäuse registrieren, wird die Aktivität an den künstlichen Höhlen erfasst.
In den Kastenrevieren an den Plöner Seen sollen zudem Kot-Analysen Auskunft über die Zusammensetzung der Beutetiere geben und Lichtschranken-Systeme die Aktivitätsdynamik an Kunsthöhlen erfassen. Darunter auch Kästen, die einigen Großen Abendseglern als Winterquartier dienen. Mithilfe der Kästen können durch Kontrollen im Spätsommer auch Reproduktionsraten ermittelt werden.
ÖKOLOGISCHE ANSPRÜCHE UND BEEINTRÄCHTIGUNGEN ERFASSEN
Die Radio-Telemetrie, bei der man Signale mit einer Antenne verfolgen muss, ist eine bereits häufig angewandte Methode auch in der Fledermausforschung. Mit ihrer Hilfe können Tagesquartiere und begrenzt auch Flugwege erhoben werden. In dieser Studie kommt die moderne GPS-Telemetrie zum Einsatz. Sie liefert regelmäßiger und zuverlässiger Daten zu den Aufenthaltsorten. Mittlerweile wiegen die Mini-GPS-Empfänger nur noch ein bis zwei Gramm. Trägt die Fledermaus einen dieser Logger für einige Tage, werden dabei eigenständig Lokalisationen und Daten zur Aktivität in vorprogrammierten Zeitabständen gespeichert. Die gewonnenen Informationen liefern wichtige Erkenntnisse über das Flugverhalten in der Landschaft und zu Ruhephasen ebenso wie zu bedeutenden Lebensraumstrukturen und zu Flughöhen. Nach wenigen Tagen löst sich der Logger wieder vom Fell – mit etwas Glück während der Tagesruhe innerhalb des Kastens, sodass der Sender aufgefunden und ausgelesen werden kann.
Im Rahmen der Pilotstudie an den Plöner Seen wurden im Sommer 2018 zunächst zehn weibliche Abendsegler mit einem GPS-Sender ausgestattet. Fünf der Datenspeicher konnten nach einigen Tagen in den Kästen wiedergefunden werden, ihre Auswertung dauert an. Erste Einblicke in die vielen GPS-Daten weisen darauf hin, dass sich die Tiere uneingeschränkt in ihrem Lebensraum fortbewegt und große Flugstrecken von mehreren Kilometern Länge zurückgelegt haben. Die abschließende Analyse der Daten ist für das Frühjahr 2019 vorgesehen.
Film- und Tonaufnahmen der Fledermauskundler an den künstlichen Höhlen ermöglichen faszinierende Einblicke in das versteckte Leben der Großen Abendsegler.